Finanz-Entertainment in Perfektion. Ein Finanzbuch, dass ich niemandem ehrlichen Herzens empfehlen kann, weil es schlicht nur protzt statt zu
Finanzen & Investitionen

Die Börsen Zauberformel

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★☆☆☆☆

DIE BÖRSEN ZAUBERFORMEL von Joel Greenblatt* ist ein knapp 150 Seiten umfassendes Werk, das uns zeigen soll, wie wir den Markt mit Leichtigkeit schlagen können. Schon der Titel dieses Buches sollte alle Alarmglocken schrillen lassen. Doch ich stelle mich auch liebend gerne solchen Werken und lasse mich eines Besseren belehren. / Anzeige

Die Investment-Legende Joel Greenblatt möchte den Anleger:innen eine verblüffend einfache Art und Weise vorstellen, wie sie die besten Aktien aus dem Gesamtmarkt herauspicken können. „Die Vergangenheit beweist: Die Zauberformel funktioniert“. Wenn ich schon solche Formulierungen lese, weiß ich ganz genau, warum ich Book of Finance gegründet habe. Es kann einfach nicht ernstgemeint sein. Weder vom Verlag noch vom Autor und auch nicht vom Magazin Der Aktionär, die diese Sonderedition herausgebracht haben. Dieses Buch ist schon nach wenigen Sätzen auf dem Backcover einfach eine Beleidigung an den gesunden Sachverstand.

Trotzdem wollte ich dem Buch auch inhaltlich wenigstens eine Chance geben und ergründen, ob es neben viel heißer Luft und ein paar gekonnt herausgepickten Börsenzeitreihen doch etwas Wissenswertes zu entdecken gibt.

Kleine Randnotiz: Es ist ein absolutes Trauerspiel, dass die Financial Times dieses Buch allen Ernstes noch als „das Buch des Jahres!“ tituliert.

Auch das Wall Street Journal lässt sich gehen und behauptet, dass „die Börsen Zauberformel bereits jetzt das Zeug zum Standardwerk hat!“ Seid ihr von allen guten Geistern verlassen? Wie wenig habt ihr bitte vom Finanzmarkt in eurem Leben verstanden, um solche Äußerungen zu tätigen?

Aber naja, vielleicht war da mal wieder die Auflage wichtiger als der Mehrwert für die Leserschaft. Wäre ja nicht das erste Mal. Und da nimmt sich der deutsche Finanzpornojournalismus gern ein Beispiel an den englischsprachigen Medien.

Schon beim Ansatz, dem Inhalt näherzukommen, werde ich immer wieder durch solch wirklich – entschuldigt bitte den Ausdruck – hohle Formulierungen zurückgeworfen:

„Zwei Jahre an der Business School lehren einen nicht, den Markt zu übertreffen, zwei Stunden mit diesem Buch dagegen schon. Lassen Sie sich von Joel Greenblatt, dem Gründer und Manager von Gotham Capital zeigen, wie man einfach und problemlos ‚den Markt schlagen‘ kann“, lautet es im Einband.

Bitte – es kann doch nicht sein, dass solche Formulierungen nur mir graue Haare bereiten. Wie kann man so wenig wirtschaftsjournalistische Ehre haben, so etwas zu schreiben?

Darauf folgt eine Einleitung, die so sehr von Speichelleckerei überzogen ist, dass es schon fast wehtut:

„Ich will Ihnen die Überraschung nicht verderben – das Buch ist sowieso schon kurz genug. Meine Aufgabe besteht nur darin, Ihnen den Verfasser vorzustellen, damit Sie wissen, wie weit Sie ihm trauen können.“
Andrew Thomas

Aber wenigstens bringt der Autor des Vorwortes dieses Mal dezidiert auf den Punkt, worum es in der Finanzbranche geht: andere davon zu überzeugen, dass sie irgendeinem Guru vertrauen können, damit dieser dann seine Bücher, seine Kurse, Vorträge oder auch nur sein Ego verkaufen kann. Gut vernetzt durch alle finanzpornografischen Medien, die es auf dem gesamten Kontinent gibt, wird dann eine Pseudo-Autorität aufgebaut mit hohen Abschlüssen, Positionen bei namhaften Finanzunternehmen und fertig ist die Aura einer Investment-Legende. Vielleicht fließt nochmal als Dank etwas Geld an die Magazine und Zeitschriften für die wohlwollenden Portraits oder die ewigen Updates. „Lieber Herr XY, wie haben Sie heute wieder geschlafen? Meinen Sie der DAX steigt um 10 oder doch um 50 Punkte?“

Dabei gibt es mehr als eine wissenschaftliche und auch ein paar nicht so ganz ernstgemeinte Untersuchungen zu dem Thema mit Primaten als Probanden. Diese beweisen, dass die Meinung vermeintlicher Experten und Expertinnen hinsichtlich der vorwärts, seitwärts, hoch und runter gerichteten Bewegungen einzelner Aktien und Märkte dir schlicht vollkommen egal sein können.

Ohne Witz: Es ist komplett – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes – egal(!), was Experte oder Expertin A oder B und von mir aus auch Z zum aktuellen Aktienkurs von Aktie X sagen. Am besten ist es sogar, du hörst ihren Einschätzungen gar nicht zu. Denn im Zweifel verunsichern sie dich nur und führen zu unüberlegten Entscheidungen.

Aber wovon lebt die Finanzbranche?

Einmal davon, dass du denkst, du hast keine Ahnung, aber die Experten und Expertinnen schon. 

Zweitens, dass du glaubst, ihre unglaublich unverschämten Behauptungen könnten dich mit ihren Zauberkräften zum:zur Millionär:in machen. 

Drittens, dass du ihnen deswegen immer wieder an den Lippen hängst oder ihre Zeitungen und Magazine kaufst, weil du glaubst, dass das qualitativ hochwertige Informationen sind. 

Viertens, dass du jegliche wohlmöglichen Erfolge, die du mit den Tipps einfährst, den Experten und Expertinnen zuschreibst und dir einreden lässt, dass jegliche Misserfolge nur Folge davon sind, dass du ihre Ratschläge nicht genau genug befolgt hast oder ihren Premium Aktienbrief für 100 EUR im Monat noch nicht abonniert hast.

Bei all diesem Blödsinn, der hier vermittelt und verkauft wird, hätte Herr Greenblatt wohl sein Buch mal selbst lesen sollen.

Denn seine eigene Performance sah dann nicht so rosig aus. Aber auch er wurde – wie so viele Börsenexperten und Börsenexpertinnen – nicht durch seine eigenen Strategien reich, sondern vor allem durch unternehmerisches Geschick und die gezielte Vermarktung der eigenen Personal Brand.

„Nachdem ich seit über 25 Jahren professionell investiere und nachdem ich seit neun Jahren an einer der besten Business Schools lehre, bin ich von mindestens zwei Dingen überzeugt:

1. Wenn Sie wirklich ‚den Markt schlagen‘ wollen, können Ihnen die meisten Profis und Wissenschaftler nicht helfen.

2. Damit bleibt nur eine Alternative: Sie müssen es selbst schaffen.

Zum Glück ist das gar nicht so schlimm. So unwahrscheinlich es auch erscheinen mag, Sie können lernen, den Markt zu übertreffen. Mit diesem Buch lernen Sie Schritt für Schritt, wie das geht. Als Hilfe habe ich eine Zauberformel eingebaut. Die Formel ist einfach und vollkommen logisch und Sie können damit den Markt, die Profis und die Wissenschaftler um Längen übertreffen. Dabei ist das Risiko gering. Die Formel funktioniert schon seit vielen Jahren und sie wird auch noch funktionieren, wenn sie jeder kennt. Sie ist zwar einfach anzuwenden und beansprucht nicht viel Zeit, aber sie funktioniert nur, wenn Sie sich die Mühe machen und vollständig verstehen, warum sie funktioniert.
Joel Greenblatt

Es klingt alles so logisch aus den Augen von Einsteiger:innen, die noch keine Ahnung von der Börse und dem Aktienmarkt haben. Viel zu schön, um wahr zu sein, dass dieser so erfahrene Börsianer sich unserer annimmt und uns Schritt für Schritt in seine Zauberformel einführt. Aber unglaublich perfide, wenn man etwas mehr Ahnung hat und die Manipulation in jeder einzelnen Zeile herausliest.

Inhaltlich wäre es für mich ein solides Buch mit 2 Sternen für all jene, die den Grundsatz des Value-Investing verstehen lernen möchten.

Denn das ist dieses Buch am Ende: Nichts anderes als ein aufgeblasener Abklatsch der Publikationen von Benjamin Graham.

Da der ganze Rahmen drumherum aber eine absolute Zumutung ist, kann ich dem Buch nicht mehr als 1 Stern und damit ein „schlecht“ geben. Sowohl der Autor wie auch der Verlag und das Magazin Der Aktionär sollten sich für diese Publikation schämen.

Denn ich stoße mich an dem Buch und den Inhalten an allerlei Stellen. Das beginnt schon beim Titel mit der Zauberformel und zieht sich durch das ganze Buch. Es ist wie für kleine Kinder geschrieben. Und es suggeriert, dass es genauso so einfach ist, langfristig den Markt nicht nur ein bisschen, sondern deutlich zu schlagen und gleichzeitig das Risiko gering zu halten.

In gekonnter Cherry-Picking Attitüde werden dann etliche Zeiträume präsentiert, in denen die angepriesene einfache Strategie vermeintlich enorme Renditen erzielt hätte. Stets nach dem Grundsatz „ceteris paribus“. Aber so läuft es an der Börse schlichtweg nicht und das sollte der Autor eigentlich auch wissen.

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