Mentales Aufräumen zwischen Coaching und Wissenschaft
Die Gedankendiät von Wolfgang Brylla* will Wege aufzeigen, wie wir uns von belastenden Gedanken befreien und mentale Muster neu programmieren können. Das Buch vergleicht dabei Denkprozesse mit Ernährung: Wer seinem Geist ständig „ungesunde“ Gedanken zuführt, wird auf Dauer träge, unzufrieden oder sogar krank. Die Lösung liegt dem Autor nach darin, belastende Gedanken zu identifizieren und durch positive, konstruktive Alternativen zu ersetzen – so wie man eine Ernährung umstellt.
Erfahrenen Lesen wird dieser Ansatz bereits geläufig sein, wenn wir darüber sprechen, schlechte Glaubenssätze aufzulösen oder uns mit Affirmationen und Visualisierung auf die nächsten Herausforderungen vorzubereiten.
Wolfgang Brylla nutzt dafür eine Kombination aus Achtsamkeit, Selbstreflexion und praktischen Übungen, um negative Gedankenspiralen zu durchbrechen. Seine zentrale Botschaft lautet: Wir sind nicht Opfer unserer Gedanken, sondern können aktiv Einfluss darauf nehmen, wie wir denken, fühlen und handeln. Es ist ein Buch, das dazu anregen möchte, bewusster mit der eigenen inneren Stimme umzugehen – und das in einer Sprache, die leicht zugänglich bleibt.
Autorenvorstellung
Wolfgang Brylla ist systemischer Coach, Kommunikationstrainer und Autor mehrerer Bücher rund um mentale Gesundheit, Selbstcoaching und persönliche Entwicklung. Seine Arbeit beruht auf Methoden wie NLP, Gestalttherapie, wingwave-Coaching und EFT. Diese Kombination soll helfen, emotionale Blockaden zu lösen und Denkprozesse gezielt zu verändern.
Als Autor bewegt sich Brylla im Spannungsfeld zwischen psychologischer Beratung und persönlicher Reflexion. Sein Stil ist empathisch, seine Sprache freundlich und nahbar. Er schreibt, wie er vermutlich auch coacht: direkt, unkompliziert, mit der Überzeugung, dass Veränderung jedem Menschen offensteht, wenn er seine Denkweise reflektiert. Damit spricht er eine breite Leserschaft an, insbesondere Menschen, die einen pragmatischen Zugang zu mentaler Stärke suchen.
Aufbau & Stil
Das Buch ist in drei große Teile gegliedert. Der erste Teil behandelt die Entstehung und Macht unserer Gedanken und erklärt, warum sie unser Wohlbefinden so stark beeinflussen. Der zweite Teil widmet sich der praktischen Umsetzung der „Gedankendiät“, inklusive eines konkreten 10-Schritte-Plans. Im dritten Teil folgen ergänzende Methoden und Übungen wie EFT, Visualisierung, Meditation und Achtsamkeit.
Wolfgang Brylla schreibt in einer klaren, bildhaften Sprache. Die Du-Ansprache zieht sich konsequent durch das Buch und schafft Nähe, kann für manche Leser aber leicht belehrend wirken. Der Vergleich von Gedanken und Nahrung wird konsequent fortgeführt, teilweise jedoch – für meinen Geschmack – zu oft wiederholt. Der Einstieg über die Figur Karla ist gelungen – er weckt Emotion und Neugier, wird aber später nicht mehr aufgegriffen, was dem Buch etwas narrative Geschlossenheit nimmt.
„Deine Gedanken sind wunderbare Helfer, die dir zur Seite stehen. Sie sind wie ein Werkzeugkoffer voller Möglichkeiten.“
Wolfgang Brylla
Stärken
Wolfgang Brylla gelingt es, komplexe psychologische Zusammenhänge in einfache Sprache zu übersetzen. Seine Leitmetapher – Gedanken als mentale Nahrung – ist ein starkes erzählerisches Fundament, das sich durch das gesamte Buch zieht. Besonders überzeugend ist, dass er den Leser in jedem Kapitel zu Reflexion und konkretem Handeln anregt.
Die Übungen sind praxistauglich und leicht umsetzbar. Wer bereit ist, sich Zeit zu nehmen und mit einem Notizbuch zu arbeiten, kann das Konzept der Gedankendiät direkt parallel zum Lesen anwenden und testen. Der motivierende Ton hilft, auch bei introspektiven Themen eine positive Haltung zu behalten. Gerade für Leser, die mit Selbstzweifeln oder Grübeln kämpfen, kann das Buch eine hilfreiche Einstiegslektüre sein.
„Stelle dir vor, unsere Gedanken sind wie Nahrung für unseren Geist.“
Wolfgang Brylla
Schwächen
Kritisch fiel mir die wissenschaftliche Fundierung auf. Viele Begriffe aus der Neurowissenschaft – etwa Amygdala, Vagusnerv oder Neurotransmitter – werden genannt, aber nicht wirklich eingeführt oder mit Studien oder Quellen in ihrer beschriebenen Funktionsweise belegt. Dadurch entsteht stellenweise der Eindruck, dass wissenschaftliche Konzepte eher als rhetorisches Stilmittel dienen. Für Leser, die auf Fachlichkeit Wert legen, wirkt das zu vage.
Auch methodisch bleibt der Ansatz an einigen Stellen unscharf. Die „Gedankendiät“ lehnt sich stark an bereits bekannte Konzepte wie Achtsamkeitstraining, kognitive Verhaltenstherapie und NLP an. Eine klare Abgrenzung, was den eigenen Ansatz besonders macht, hätte dem Buch Profil verliehen. Zudem wirken einige Passagen redundant – die wiederholten Metaphern und ähnlichen Formulierungen hätten gekürzt werden können, um den Lesefluss zu stärken.
Gestalterisch ist das Buch solide, aber unspektakulär. Das Taschenbuch enthält keine Illustrationen oder visuelle Auflockerungen, was angesichts des Preises von 20 Euro etwas enttäuschend wirkt. Der Inhalt hätte durch visuelle Hilfsmittel – Diagramme, Zusammenfassungen oder Tabellen – deutlich gewinnen können.
„Das Ziel ist es, dich von Denkweisen zu lösen, die dir schaden – und sie durch neue, hilfreiche Gedanken zu ersetzen.“
Wolfgang Brylla
Für wen das Buch geeignet ist
Die Gedankendiät* eignet sich aus meiner Sicht vor allem für Leser, die einen niederschwelligen Einstieg in mentales Selbstcoaching suchen. Wer sich mit Achtsamkeit, Selbstbeobachtung oder Stressbewältigung beschäftigen möchte, findet hier zahlreiche praktische Impulse. Auch Menschen, die zu Grübeleien und Overthinking neigen – wie ich leider viel zu häufig –, können von den Übungen profitieren, da sie womöglich helfen, Gedankenkreisläufe zu unterbrechen.
Weniger geeignet ist das Buch für Leser, die auf wissenschaftlich fundierte Argumentation Wert legen oder vertiefte psychologische Erklärungen erwarten. Auch erfahrene Coaches oder Therapeuten werden viele Inhalte bereits kennen. Für sie bietet das Buch eher eine Zusammenführung bekannter Ansätze als neue Erkenntnisse.
Fazit
Die Gedankendiät* ist ein motivierendes, leicht verständliches Buch, das Mut macht, sich mit den eigenen Denkmustern auseinanderzusetzen. Die Stärke liegt im Bildhaften, im Coaching-Ton und in der praktischen Umsetzbarkeit. Die Schwäche liegt in der wissenschaftlichen Tiefe und in der teilweise zu einfachen Darstellung komplexer psychologischer Zusammenhänge. Es ist kein Buch für Fachleute, aber ein nützlicher Begleiter für Einsteiger, die erste Schritte zu mehr mentaler Klarheit machen wollen.
Im Gesamteindruck bleibt: eine gute Idee mit solider Umsetzung, aber Potenzial zur Vertiefung. Ein Buch, das inspiriert – wenn man es als Einstieg und nicht als Endpunkt versteht.
Fünf Key Learnings
1. Aufmerksamkeit kommt vor Veränderung.
Bevor man seine Gedanken verändert, muss man sie erkennen. Die Gedankendiät legt Wert auf Achtsamkeit und Beobachtung: Welche Gedanken wiederholen sich, welche erzeugen Druck oder Angst? Erst das bewusste Wahrnehmen schafft die Grundlage für Veränderung. Durch Übungen wie das „Trigger-Protokoll“ lernt der Leser, die automatischen Gedankenmuster sichtbar zu machen und so Schritt für Schritt Kontrolle über sie zu gewinnen. Diese Bewusstwerdung ist der Beginn jedes mentalen Wandels.
2. Geist und Körper sind keine getrennten Systeme.
Das Buch betont die enge Verbindung zwischen mentalen und körperlichen Prozessen. Jeder Gedanke hat eine physiologische Entsprechung: Stresshormone, Muskelspannung, Atmung. Wer lernt, auf Signale des Körpers zu achten, kann frühzeitig erkennen, wann ein Gedanke belastend wirkt. Diese Verbindung zu verstehen bedeutet, Verantwortung für das eigene Wohlbefinden zu übernehmen – ein wichtiger Schritt in Richtung Selbstfürsorge.
3. Routinen sind der Schlüssel zu mentaler Stabilität.
Neue Gedanken entstehen nicht durch einzelne Aha-Momente, sondern durch wiederholte Übung. Die Gedankendiät fordert dazu auf, regelmäßig zu reflektieren, zu schreiben, zu visualisieren und damit neuronale Muster neu zu formen. So wird die Veränderung nicht zum Kraftakt, sondern zum Teil des Alltags. Wer diese kleinen Routinen etabliert, wird langfristig davon profitieren.
4. Selbstmitgefühl ist die Basis nachhaltiger Veränderung.
Brylla erinnert immer wieder daran, dass Selbstverurteilung den Prozess behindert. Veränderung gelingt nicht durch Zwang, sondern durch Akzeptanz. Fehler oder Rückfälle sind Teil des Lernprozesses. Wer sich erlaubt, mit mildem Blick auf die eigenen Gedanken zu schauen, schafft Raum für Wachstum. Dieses Prinzip macht die Gedankendiät besonders wertvoll für Menschen, die mit überhöhten Ansprüchen an sich selbst kämpfen.
5. Die Gedankendiät ist ein Werkzeug, kein Wundermittel.
Das Buch vermittelt keine magische Lösung, sondern ein System aus Übungen und Perspektivwechseln. Der Erfolg hängt davon ab, wie konsequent man das Konzept anwendet. Brylla liefert Denkanstöße und Methoden – die eigentliche Arbeit bleibt beim Leser. Wer das akzeptiert, kann aus der Gedankendiät einen echten Transformationsprozess machen. Es ist ein Werkzeugkasten, kein Heilsversprechen – und genau darin liegt seine Stärke.