EMIGRANT DES LEBENS von Gregor Eisenhauer*. In diesem Werk widmet sich der Autor dem tragischen Ende von Erich Kästner, einem der bedeutendsten deutschen Kinderbuchautoren des 20. Jahrhunderts. Gregor Eisenhauer beschreibt Kästners letzte Jahre, in denen er trotz seines großen Erfolges als Schriftsteller zunehmend vereinsamte und schließlich tieftraurig starb. Das Buch erzählt von der inneren Zerrissenheit eines Mannes, der Millionen Menschen glücklich machte, jedoch selbst im Unglück versank. / Anzeige
Gregor Eisenhauer versucht, mit Erich Kästner „über den Tod hinaus“ ins Gespräch zu kommen und nimmt dabei die Rolle eines Lesers ein, der seinem Freund, dem Autor, Fragen stellt.
Diese Fragen nach dem Grund für Kästners Unglück leiten den Leser durch das Werk. Gregor Eisenhauer zeichnet dabei das Bild eines Mannes, der es nicht schaffte, sich von seiner dominanten Mutter zu lösen und dadurch in vielen Bereichen seines Lebens, insbesondere in der Liebe, scheiterte.
Erich Kästners Kindheitserinnerungen spielen eine zentrale Rolle. Seine Beziehung zu seiner Mutter, Ida Kästner, war prägend und problematisch zugleich. Sie liebte ihn auf besitzergreifende Art und Weise, eine Form der Liebe, die ihn ein Leben lang beeinflusste. In Emigrant des Lebens* wird deutlich, dass Erich Kästner nie ganz erwachsen wurde, was sich auch in seinen Beziehungen und seiner Unfähigkeit, wirkliche Nähe zuzulassen, widerspiegelte.
Das Buch geht zudem auf Erich Kästners berufliche Erfolge und seine Liebesaffären ein, die jedoch nie zu einem dauerhaften Glück führten.
Gregor Eisenhauer beleuchtet Erich Kästners schwieriges Verhältnis zu seiner langjährigen Partnerin Luiselotte Enderle. Sie blieb bis zu seinem Tod an seiner Seite, obwohl ihre Beziehung von Spannungen geprägt war. Erich Kästners Untreue und die emotionale Distanz führten zu einem Leben aneinander vorbei, trotz ihrer gemeinsamen Jahre.
Gregor Eisenhauer zeigt in Emigrant des Lebens* auch, wie Erich Kästners beruflicher Erfolg immer mehr zum Zwang wurde. Seine produktive Phase in den 1920er und 1930er Jahren brachte große Werke hervor, doch nach dem Zweiten Weltkrieg verlor er zunehmend die Motivation und den Glauben an sich selbst. Er schrieb keine großen Romane mehr und hielt sich mit kleineren Projekten über Wasser. Der Druck, den er sich selbst auferlegte, sowie der Wunsch, weiterhin erfolgreich zu sein, führten zu einer inneren Leere.
„Erich Kästner hat viele Leser glücklich gemacht mit seinen Gedichten und Erzählungen, dennoch war er an seinem Lebensende unglücklich. Warum das so war, wurde selten gefragt, sei es aus Diskretion oder Scham. Aber am Unglück der anderen ist nichts Beschämendes. Beschämend ist nur die Unterlassung der Frage: Warum bist du unglücklich?“
Gregor Eisenhauer
An dieser Stelle ein paar Worte zum Autor:
Gregor Eisenhauer, geboren 1960, hat Germanistik und Geschichte studiert und promovierte über Arno Schmidt. Seine erste literarische Veröffentlichung, Scharlatane* (1994), erschien in der „Anderen Bibliothek“ von Hans Magnus Enzensberger. Weitere Werke wurden unter anderem im Eichborn Verlag, Elfenbein Verlag, DuMont und Mitteldeutschen Verlag veröffentlicht, zuletzt Liebe ohne Leiden. 55 einfache Übungen für den Herzmuskel* (2021). Seit über zwanzig Jahren schreibt Eisenhauer Nachrufe für den Berliner Tagesspiegel. Er lebt als freier Schriftsteller in Berlin.
„Im Tod sind Mensch und Autor eins. Der Tod Erich Kästners gibt auch Auskunft über sein Leben als Dichter. Wie nah darf man einem Autor treten? Als Leser, als guter Freund, ja, als guter Freund, denn manche Autoren begleiten einen lebenslang.“
Gregor Eisenhauer
Schon der erste Eindruck des Buches war wirklich hervorragend. Die Taschenbuch-Bindung ist angenehm, das Cover dezent und geschmackvoll, das Backcover aufgeräumt. Wobei Letzteres vielleicht noch etwas mehr Liebe hätte vertragen können.
Thematisch war ich sehr gespannt auf diese etwas andere Biografie der Literaturlegende Erich Kästner.
Preislich empfinde ich die 20,00 Euro für knapp 200 Seiten in Taschenbuch-Bindung als etwas hoch angesetzt. Biografien sind zwar oft teurer, aber die Begründung dafür hat sich mir nie erschlossen.
Das Druckbild im Inneren ist ebenfalls gelungen, wenn auch schlicht und angemessen für eine solche Legende. Man könnte es als respektvolle Schlichtheit bezeichnen.
Inhaltlich ist das Buch bemerkenswert.
Erich Kästner, eine absolute Literatur-Ikone, habe ich zum ersten Mal durch eine völlig neue Brille gesehen. Viele meiner Generation kennen seine Werke vor allem aus der Kindheit, von Straßennamen oder Schulen, aber hinterfragen weder sein Leben noch sein Schaffen kritisch.
Das tut der Autor auf unnachahmliche Weise. Sowohl strukturell als auch sprachlich war das Buch eine große Freude für mich. Obwohl es sich einem tief traurigen Thema widmet, berührten mich viele Passagen emotional. Gleichzeitig fand ich es sprachlich so prägnant, dass es viele andere Werke in den Schatten stellt.
Die Darstellung von Kästners Schicksal und die Gedanken des Autors dazu haben mich dazu gebracht, über mein eigenes Leben nachzudenken. Dafür bin ich dem Buch sehr dankbar.
Es vermittelt nicht nur neue Einsichten über eine Person, die man zuvor vielleicht gar nicht wirklich kannte. Es zeigt auch, dass man noch viel lernen darf – auch in der Literaturkritik.
Schlussendlich kann ich dem Werk nicht anders als fünf Sterne und damit ein „ausgezeichnet“ geben. Es hat mich beeindruckt, den Schilderungen und Gedanken zu folgen, und ich freue mich bereits auf kommende Werke des Autors.
„Es scheint, er hat sein Mitwirken in dieser Tragödie nie wirklich begriffen. Weil er die Liebe nicht begriffen hat. Der Kopf überstimmte fortwährend das Herz. Aber mit dem Verstand ist in der Liebe nichts zu begreifen.“
Gregor Eisenhauer
Insgesamt ist Emigrant des Lebens* eine eindrucksvolle Auseinandersetzung mit Erich Kästners persönlichem Schicksal, das in scharfem Kontrast zu seinem öffentlichen Bild als erfolgreicher und beliebter Autor steht.
Gregor Eisenhauer zeigt den menschlichen Erich Kästner, der trotz aller äußeren Anerkennung in seinem Inneren zerrissen blieb.
Für Leser, die sich für die letzten Jahre des berühmten Kinderbuchautors interessieren, bietet dieses Buch tiefgehende Einblicke in das Leben eines Mannes, der von seinem eigenen Erfolg überrollt wurde und in der Einsamkeit endete.
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