LÖWENHERZEN von Gesa Neitzel* ist eine autobiografisch geprägte Erzählung über das Leben im südlichen Afrika. Die Autorin nimmt ihre Leser mit auf einen mehrjährigen Roadtrip durch Botswana, Namibia und Sambia. Drei absolut faszinierende Länder, von denen ich leider zwei noch nicht besuchen durfte. Das Buch ist dabei eine Mischung aus Reisetagebuch, Naturbeobachtung und Reflexion über persönliche Entwicklungen. / Anzeige
Persönliche Begegnung mit dem wilden Süden Afrikas
Die Erzählung gliedert sich in drei geografisch bestimmte Abschnitte: Botswana, Namibia und Sambia. Gesa Neitzel rekonstruiert darin Erlebnisse zwischen 2015 und 2020. Die Kapitel folgen einem episodischen Aufbau. Jedes Kapitel erzählt eine abgeschlossene Episode, die meist durch ein Erlebnis oder ein zentrales Thema bestimmt ist. Im Zentrum steht die Beziehung zwischen der Autorin und ihrem Partner Frank, ebenso wie ihre fortschreitende Ausbildung zum Safari-Guide.
Neben der äußeren Reise steht die innere Entwicklung. Die Rückkehr ins sogenannte „Land der Riesen“ eröffnet das Buch. Es ist nicht nur ein geografisches Zurückkommen, sondern auch ein symbolisches Ankommen in einer neuen Lebensphase.
Kernthemen: Wildnis, Beziehung, Identität und Zugehörigkeit
Ein zentrales Thema ist die Auseinandersetzung mit der Wildnis als Lebensraum. Die Leser begleiten Gesa Neitzel auf gefährlichen Busch-Walks und nervenaufreibenden Fahrten im Geländewagen. Die Konfrontation mit wilden Tieren – darunter Elefanten, Nilpferde, Strandwölfe und Krokodile – spiegelt das Spannungsfeld zwischen Faszination und Gefahr wider.
Ein weiteres tragendes Thema ist die Beziehung zwischen der Autorin und Frank, ihrem Partner. Die Dynamik dieser Partnerschaft wird dabei aber nicht idealisiert. Vielmehr steht sie exemplarisch für die Frage nach Zugehörigkeit, gegenseitiger Unterstützung und Lebensentscheidungen. Besonders deutlich wird dies in Momenten großer Unsicherheit – etwa während eines Feuers im südafrikanischen Buschcamp. Die Szene entfaltet sich in Echtzeit und illustriert das fragile Gleichgewicht zwischen Natur und menschlichem Handeln.
Auch Fragen nach Privilegien, Verantwortung und kultureller Sensibilität fließen ein. Gesa Neitzel thematisiert das Spannungsfeld zwischen westlicher Herkunft und afrikanischem Alltag. Der Wunsch, in Botswana oder Sambia zu arbeiten, wird mit einer Vielzahl realer Hürden konfrontiert – etwa den restriktiven Arbeitsgesetzen für Ausländer.
Stilistische Besonderheiten und erzählerische Perspektive
Das Buch ist in der Ich-Form verfasst. Diese Perspektive erlaubt den Lesern eine unmittelbare Teilhabe am Geschehen. Gesa Neitzel reflektiert offen über eigene Ängste, Zweifel und Wünsche. Diese Selbstbeobachtung ist keine Schwäche, sondern erweitert die Erzählung um eine emotionale Tiefe, die das Erlebte glaubwürdig verankert.
Zentrale Passagen – wie die gefährliche Fahrt durch das Okavango-Delta im Mokoro oder das Aufeinandertreffen mit Elefanten an einem Ort der Erinnerung – bieten dichte Momentaufnahmen. Dabei wechseln sich beschreibende Abschnitte mit inneren Monologen ab, die die Leser direkt ins Geschehen ziehen.
Für wen eignet sich das Buch?
Das Buch richtet sich an Leser, die etwas mehr als klassische Reiseliteratur erwarten. Gesa Neitzel bietet keine touristische Außenperspektive, sondern teilt gelebte Erfahrungen im südlichen Afrika. Vieles davon werden „normale“ Touristen niemals erleben können und dürfen. Besonders angesprochen fühlen dürften sich aber auch Menschen mit großem Interesse an Wildtierbeobachtung, ökologischer Nachhaltigkeit und kulturellen Perspektiven auf das Leben in afrikanischen Ländern.
Denn Afrika ist letzten Endes für mich immer noch ein unfassbar unterschätzter Kontinent mit derart unterschiedlichen und faszinierenden Regionen, Ländern und Kulturen. Sukzessive öffnen sich immer mehr Regionen für den breiteren Tourismus – nicht nur für kleine Expeditionsgruppen –, wobei man allerdings stark darauf achten sollte, was moralisch wie ökologisch vertretbar ist. Ich habe auf all meinen Reisen dorthin sowohl die eine als auch die andere Seite der Medaille erleben dürfen und die Kluft ist gigantisch.
Aber zurück zum Buch: Auch für Leser, die sich mit Fragen nach Berufung, Partnerschaft und Selbstfindung beschäftigen, bietet Löwenherzen* wertvolle Denkanstöße, genauso wie auch die weiteren Bücher der Autorin.
„Ein weiterer Knall unterbrach meine Gedanken. ‚Nee, das war kein Gewehrschuss‘, sagte ich zu Frank, ‚das kam aus dem Küchenzelt!‘ […] ‚Feuer!‘, rief er, und plötzlich ergab alles einen Sinn: Irgendetwas musste im Küchenzelt explodiert sein – daher die Knalle. Und das seltsame Geräusch hinterm Camp stammte nicht vom raschelnden Gras – nein, es war das Knistern der Flammen!“
Gesa Neitzel
Autorenvorstellung: Gesa Neitzel
Gesa Neitzel, geboren 1987, arbeitete zunächst als Fernsehredakteurin in Berlin. Später zog es sie nach Südafrika, wo sie eine Ausbildung zur Rangerin absolvierte. Ihre Erlebnisse im afrikanischen Busch inspirierten sie zum Schreiben. 2016 veröffentlichte sie ihren Bestseller Frühstück mit Elefanten*, gefolgt von The Wonderful Wild* im Jahr 2019 – einer persönlichen Anleitung für ein bewusstes, naturverbundenes Leben. Während der Corona-Pandemie zog sie mit ihrem Partner Frank nach Australien, wo sie heute lebt und schreibt. Gesa Neitzel verbindet Naturschutz, Abenteuerlust und Lebensreflexion auf authentische Weise.
„Und dann war es plötzlich wieder da, das Gefühl, das sich immer dann einstellte, wenn ich mich ganz von der modernen Welt und meinem eigenen Gedankenkarussell löste; wenn ich mich unter den Bäumen und zwischen den Sträuchern verlor. Busch-Walks gehen genau deshalb oftmals noch viel tiefer als eine Safari-Fahrt: Zu Fuß ging es nicht darum, welche großen Tiere einem begegneten, sondern welche kleinen man nicht aus Versehen niedertrampelte.“
Gesa Neitzel
Löwenherzen* ist das dritte Buch von Gesa Neitzel, das ich lesen und hier im Blog vorstellen darf.
Nach den ersten beiden Titeln war meine Vorfreude entsprechend groß – und wurde nicht enttäuscht.
Gesa Neitzel ist für mich ein beeindruckendes Vorbild in Sachen Mut, Lebenssinn und innere Stimme. Wer kündigt schon einen sicheren Job in Deutschland, um in Afrika Rangerin zu werden – ohne Jobgarantie? Ihre Entscheidung zeugt von Konsequenz und Leidenschaft.
Besonders inspirierend finde ich, wie sie ihre Reise nicht nur lebt, sondern auch mit anderen teilt. Mit ihren Büchern nimmt sie ihre Leser mit, begeistert sie – und wurde zu Recht mehrfach SPIEGEL-Bestsellerautorin. Dabei geht es nie nur um Tiere. Es geht um Haltung, Werte und echte Veränderung.
Dass Gesa Neitzel während der Ausbildung auch ihre große Liebe fand, macht ihre Geschichte umso berührender.
Auch optisch überzeugt das Buch wieder auf ganzer Linie. Das Taschenbuch punktet mit abwechslungsreicher Haptik – von matten bis glänzenden Elementen. Besonders schön: Die liebevoll gestalteten Karten im Inneren wecken meine Safari-Sehnsucht sofort erneut.
Schon nach wenigen Seiten war ich wieder tief in Afrika – zumindest im Kopf. Allerdings fällt auf: Der Erzählton hat sich leicht verändert im Vergleich zu den Vorgängern. In Löwenherzen* überwiegt die Nacherzählung konkreter Erlebnisse, Reflexionen treten etwas in den Hintergrund. Gerade diese introspektiven Passagen hatten mir in den anderen Büchern besonders gut gefallen.
Ein weiterer Punkt, der mir beim Lesen auffiel: die Verwendung des Gendersternchens.
Gerade bei Begriffen wie „Tourist*innen“ wirkt das für mich stellenweise ungewohnt und etwas sperrig. Doch auch das spiegelt den Zeitgeist und die Berliner Herkunft der Autorin wider.
Ungeachtet dessen ist der Inhalt wieder außergewöhnlich. Gesa Neitzel nimmt ihre Leser mit in eine Welt, die den meisten von uns verschlossen bleibt. Viele Erlebnisse sind nur unter dem Schlagwort „This is Africa“ zu fassen – real, roh und unverfälscht.
Dabei wird nichts romantisiert. Buschleben bedeutet Abenteuer – und oft Verzicht. Nicht jeder möchte nachts mit Gewehr neben dem Zelt schlafen. Gesa Neitzel tut genau das.
Was dieses Buch besonders macht, ist die sanfte Liebesgeschichte zwischen Gesa und Frank. Die Verbindung von Berufung, Natur und Partnerschaft verleiht dem Buch eine stille Tiefe.
Und dennoch: Für mich ist Löwenherzen* das schwächste der drei Werke. Die anderen Bücher wirkten für mich runder und persönlicher.
Aber: Auch dieses Buch bleibt lesenswert und authentisch. Es zeigt erneut, wie sehr Gesa Neitzel für ihr Leben in und mit der Wildnis brennt.
„Ich glaube, nachdem ich mich erst mal dran gewöhnt habe, könnte ich das hier für immer machen. – Was? Safaris? – Nee, das hier.“ Und mit dem Finger deutete ich auf uns beide, irgendwo in Botswanas Wildnis, wunschlos glücklich vor einem kleinen Zelt.“
Gesa Neitzel
Fazit: Eine authentische Reise durch Landschaften und Lebensfragen
Löwenherzen* von Gesa Neitzel ist ein sehr persönliches Buch über das Leben am Rande der Komfortzone. Es verbindet Naturbeobachtungen mit tiefgehender Selbstreflexion. Die Leser erhalten Einblicke in die afrikanische Wildnis, aber auch in die inneren Beweggründe einer Frau, die ihren Platz in der Welt sucht.
Die Episoden sind anschaulich erzählt, mit starkem Fokus auf das Erlebte. Gesa Neitzel gelingt es, ihre Leser nicht nur mitzunehmen, sondern auch zum Nachdenken anzuregen – über Nachhaltigkeit, Beziehungen und die Sehnsucht nach Zugehörigkeit.
Fünf zentrale Learnings aus Löwenherzen von Gesa Neitzel:
1. Wahre Nähe zur Natur beginnt mit Demut und Respekt
In der Wildnis zählt nicht, wie nah man einem Tier kommt, sondern wie bewusst man seine Grenzen wahrt. Sicherheit, Weitsicht und Zurückhaltung sind essenziell – für Mensch und Tier gleichermaßen.
2. Angst verliert an Kraft, wenn man ihr begegnet
Bedrohliche Situationen – etwa das Feuer im Busch oder das Nilpferd im Kanal – zeigen: Der Moment der Konfrontation ist oft weniger beängstigend als die Vorstellung davor. Mut wächst aus Erfahrung, nicht aus Abwesenheit von Furcht.
3. Zugehörigkeit ist nicht nur eine geografische Frage
Gesa stellt sich immer wieder die Frage, wo ihr Platz ist – als Europäerin im südlichen Afrika. Die Antwort liegt nicht im Besitz von Land oder Papieren, sondern in der Haltung gegenüber Menschen, Tieren und der eigenen Verantwortung.
4. Liebe ist ein gemeinsames Gehen – auch ohne Ziel
Die Beziehung zu Frank steht exemplarisch für Partnerschaft ohne Plan, aber mit gegenseitigem Vertrauen. Es geht nicht darum, alles zu wissen – sondern darum, gemeinsam offen für das Unbekannte zu bleiben.
5. Heimat kann ein Gefühl sein, nicht nur ein Ort
Das vermeintliche Fernweh entpuppt sich als Suche nach einem inneren Zuhause. Wer der eigenen Sehnsucht folgt, findet manchmal nicht die Fremde, sondern eine neue Form von Ankommen – oft ganz ohne festen Wohnsitz.
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