MACH DICH FREI von Svenja Hofert* ist ein erfrischendes und mitunter kurzweiliges Buch zum Stöbern. Gleichzeitig ist es aber auch sehr praxisorientiert. Im Kern beschäftigt es sich mit der Bedeutung und Anwendung von mentalen Modellen in unserer sich ständig wandelnden Welt. So hat es mich an manchen Stellen an die Werke von Rolf Dobelli erinnert. Wem die zugesagt haben, dem wird auch dieses Buch gefallen. / Anzeige
Die Autorin nimmt uns mit auf eine Reise durch eine Vielzahl von Denkmustern. Diese sollen helfen, die Komplexität des modernen Arbeitslebens zu bewältigen und zeitgemäße Lösungen für aktuelle Herausforderungen zu finden.
Das Buch beginnt mit einem Rückblick auf vergangene Zeiten.
Darin zeigt Svenja Hofert auf, wie unfassbar schnell sich die Welt um uns herum verändert hat. Entsprechend müssen sich unsere Denkweisen anpassen, um mit dieser Geschwindigkeit Schritt halten zu können. „Wer nicht mit der Zeit geht“, könnte der Untertitel dieses Buches auch lauten. Es betont die Relevanz, veraltete Denkmuster zu erkennen, zu hinterfragen und abzulegen. Und dann neue, flexiblere Ansätze zu entwickeln, um den Herausforderungen unserer Zeit erfolgreich zu begegnen.
Svenja Hofert betont, dass das nicht immer leicht sein wird. Denn unsere Denkmuster nehmen ähnlich wie unsere Glaubenssätze oft unbewusst Einfluss auf uns. Sie sind wie Erinnerungsstücke, die im Keller unseres Geistes liegen. Und doch beeinflussen sie unsere Entscheidungen und Handlungen im Hier und Jetzt nachhaltig. Die Autorin führt uns durch eine ganze Reihe von althergebrachten Denkmustern, die heute schlichtweg nicht mehr in die Zeit passen. Und schlussendlich können sie sogar hinderlich sein: für uns, unsere Karriere, unser Unternehmen, unser Leben.
Ein Beispiel dafür ist das immer noch weit verbreitete Denkmuster: „Schuster, bleib bei deinen Leisten“.
Dieses soll dazu ermutigen, sich auf ein eng definiertes Fachgebiet zu konzentrieren. Allerdings entwickelt sich die Welt um uns herum ständig weiter. Sie wird komplexer, vielschichtiger, manche Fachgebiete verändern sich nur, andere verschwinden vollständig und wieder andere entstehen beinahe aus dem Nichts. Wer in solchen Zeiten an verstaubten Denkmustern hängenbleibt, bleibt womöglich irgendwann auf der Strecke.
Das Buch portraitiert aber eben nicht nur das, was wir ablegen sollen. Die Autorin präsentiert zudem alternative Denkmuster und ermutigt dazu, flexibler und offener für Veränderungen zu sein. Sie zeigt, wie traditionelle Vorstellungen von Erfolg, Führung und Bildung überdacht werden müssen. Denn nur so können wir den Anforderungen einer sich schnell verändernden Welt gerecht werden. Mithilfe ihrer klaren Handlungsempfehlungen kann man suboptimale Denkmuster gekonnt transformieren.
Eine der Stärken des Buches – übrigens auch der anderen Publikationen der Autorin – liegt in seiner klaren und zugänglichen Sprache.
Svenja Hofert verwendet anschauliche Beispiele und Metaphern, um komplexe Konzepte zu erklären. Und sie ermutigt die Leser, aktiv über ihre eigenen Denkmuster nachzudenken und diese zu hinterfragen.
„Manchmal existieren konkurrierende mentale Modelle. Je mehr Erfahrungen wir machen, desto besser können wir unsere Modelle konkretisieren – oder ad acta legen. Wir sollten unterscheiden: Natürlich kann es Überschneidungen geben.“
Svenja Hofert
Insgesamt umfasst das Buch 100 verschiedene mentale Modelle. Diese Struktur ermöglicht es den Lesern, sich auf bestimmte Themen zu konzentrieren oder auf eine breite Palette von Denkmustern einzulassen. Je nach individuellen Interessen und Bedürfnissen. Es ist im Grunde wieder eines dieser perfekten Bücher für den Nachttisch, die man sukzessive und scheibchenweise lesen und aufarbeiten kann. Die Kapitel bauen eher weniger aufeinander auf, sondern sind in sich abgeschlossen. So, als erwarteten förmlich, dass die Leser aktiv werden und sie verarbeiten, bevor sie hektisch zum nächsten Kapitel hasten.
Ein weiterer Pluspunkt des Buches sind die praktischen Tipps und Anregungen, um die vorgestellten Denkmuster im Alltag anzuwenden.
Diese helfen nicht nur, das eigene Denken zu erweitern, sondern auch konkrete Lösungen für die eigenen Herausforderungen zu finden.
„Wie schnell das plötzlich geht! Was war das noch ruhig in den 2000ern. Dabei sind sie – zumindest aus meiner Sicht – noch nicht lange her. Wahrscheinlich merkt ihr, dass ‚Früher war alles anders‘ nun wirklich gilt. Ihr spürt Chaoswachstum und Komplexitätsexplosion. Manchmal wisst ihr einfach nicht mehr weiter – und immer mehr Dinge versteht ihr nicht mehr. Mir geht es genauso. Wir dürfen das ruhig zugeben. Ihr merkt, dass die Menschen in ihren alten Denkweisen verharren und an ungesunden Überzeugungen kleben. Vielleicht habt ihr beruflich mit Veränderung zu tun – als Lehrer, Beraterin, Coach, Führungskraft, Unternehmerin.
Vielleicht interessiert euch einfach, wohin die Reise gehen soll. Ihr seht, wie vermeintliche Lösungen neue Probleme verursachen. Ihr erkennt, dass die bisherigen Systeme nicht mehr passen. Ihr bemerkt den Stress, unter den alle Systeme geraten. Die Folge sind extremere Reaktionen und Veränderungsresistenz. Und wenn ihr von ‚Mehrfachkrisen‘ lest, wisst ihr gleich, was gemeint ist. Die Einschläge kommen näher.“
Svenja Hofert
An dieser Stelle ein paar Worte zur Autorin:
Svenja Hofert ist eine renommierte Expertin auf dem Gebiet der Zukunft der Arbeit und der Veränderung von Mensch und Organisation. Seit Jahrzehnten widmet sie sich intensiv diesen Themen und lässt dabei stets ihre umfangreiche Praxiserfahrung einfließen. Mit über 30 Sach- und Fachbüchern hat sie sich als Autorin etabliert. Sie gilt als gefragte Expertin in der Beratung von Professionals und Führungskräften.
Als Beraterin und Ausbilderin von Veränderungsbegleitern sowie Keynote-Speakerin trägt sie maßgeblich dazu bei, Menschen und Organisationen auf die Herausforderungen der Arbeitswelt von morgen vorzubereiten. In all ihren Publikationen lebt sie ihre Vision einer zukunftsorientierten Arbeitskultur.
„Vielleicht fragt ihr euch, wie ich dazu komme, dieses Buch zu schreiben? Zum einen ist es mir wirklich, wirklich wichtig, zu einer guten Zukunft beizutragen. Zugleich bin ich ein Mensch, der sehr viele unterschiedliche Erfahrungen gemacht hat. Das prägt anders als Gleichförmigkeit. Seit Ende der 1990er Jahre begleite ich als Coach Veränderung auf der individuellen Ebene. Später kamen dann als Organisationsberaterin Gruppen und Organisationen dazu. Ich habe für Konzerne gearbeitet, für den Mittelstand, für Start-ups, Forschungsinstitute, Ministerien und Verwaltungen. In allen meinen Tätigkeiten sind mir Denkmuster begegnet, die ich immer versucht habe zu verstehen.
Dazu habe ich mich in die verschiedensten Ansätze eingearbeitet und vertieft. Irgendwann habe ich dann verstanden, dass es fast egal ist, von welcher Seite wir kommen, wenn wir die übergreifenden Muster sehen. Ich habe auch gesehen: Es sind nicht die angepassten Denkmuster, die Veränderung blockieren. Wirklichkeit ist nicht einfach da. Wir stellen sie uns vor: Wir interpretieren, was wir sehen, hören und fühlen. Es geht immer um Ausschnitte. Wir meinen zwar, ein ganzes Bild zu sehen, aber das stimmt nicht – wir denken uns Zusammenhänge dazu. Das alles passiert ‚mental‘, in unserem Bewusstsein.“
Svenja Hofert
Direkt zu Beginn ist mir meine geliebte Softcover-Bindung aus dem Campus Verlag aufgefallen.
Tatsächlich zum Lesen für mich immer noch die angenehmste Bindung, die ich bisher in den Händen halten durfte. Der Preis ist mit 24 Euro für mich aber etwas zu hoch geraten. Das Buch ist im Inneren zwar wunderschön gestaltet, aber schlussendlich „nur“ einfarbig in Schattierungen und „nur“ knapp 300 Seiten dick. Da hätte man durchaus mit 20 Euro auskommen sollen. Campus selbst hat das bereits unzählige Male mit jüngsten Publikationen geschafft.
Das Cover gefällt mir sehr gut. Es ist schlicht und passend. Der Druck auf dem Backcover und dem Einband ist aber für meinen Geschmack zu groß geraten. Irgendwie ist er optisch nicht ganz stimmig. Als etwas unglücklich empfinde ich auch, dass das Zitat auf dem Einband den ersten Worten der Einleitung entspricht. Wäre es nicht viel sinnvoller gewesen, eine andere klangvolle Stelle aus dem Buch auszuwählen? Eine, die man vermutlich nicht ohnehin lesen würde, wenn man einen Blick ins Buch wirft?
Das Inhaltsverzeichnis ist dann das komplette Gegenteil des Einbands. Filigran, minimalistisch und gut strukturiert.
Die inhaltliche Tiefe und Breite des Buches haben mir ebenso sehr gut gefallen. Wie einleitend bereits erwähnt, hat es mich in gewisser Weise an die Werke von Rolf Dobelli erinnert. Insgesamt war es aber dann doch deutlich praxis- und vor allem leserorientierter. Dazu tragen vor allem die „Denkkrücken“, „neuen mentalen Modellen“ und „Coachingboxen“ am Ende der Kapitel bei. Ebenso aber auch die direkte Ansprache und der lösungsorientierte Schreibstil. Von Dobelli hat es aber die entspannte, kurzweilige Struktur und das grobe Themenfeld.
Am Ende ist es meines Erachtens nach ein sehr wertvolles Buch mit unglaublichen vielen spannenden und vielseitigen Denkanstößen. Es war mir wirklich eine Freude, es zu lesen, aber es wird sicher noch eine ganze Weile dauern, es durchzuarbeiten. Jedes Kapitel für sich verdient zumindest ein paar Stunden volle Aufmerksamkeit. Es wird sich sicherlich ein fürs andere Mal lohnen. Entsprechend steckt viel Mehrwert in den 300 Seiten. Für mich ist Svenja Hofert einfach nur eine wunderbare und stets lesenswerte Autorin.
„Wer beschäftigt sich schon mit Dingen, die noch weit weg scheinen? Wir wachen erst auf, wenn wir direkt betroffen sind. Was uns helfen kann, in dieser Welt klarzukommen, sind neue Denkmuster. Solche mentalen Modelle bilden die Wirklichkeit nach, wie sie sich gerade zeigt. Möglichst genau – das ist der Sinn und Zweck eines mentalen Modells. Es liefert uns die Grammatik für den Umgang mit einer veränderten Wirklichkeit. Mentale Modelle sind deduktive Schlussfolgerungen. Sie entlasten uns also von aufwändiger Einzelanalyse, indem sie Beobachtungen aus der Praxis und/oder der Wissenschaft in ein Denkmodell bringen. Sie liefern damit auch einen Rahmen für Problemlösungen, ohne diese direkt zu liefern.“
Svenja Hofert
Insgesamt ist Mach dich frei* von Svenja Hofert ein leicht und angenehm zu lesendes, inspirierendes und ermutigendes Buch.
Es regt dazu an, über die eigenen Denkmuster nachzudenken und neue Wege des Denkens zu erkunden. Und es bietet wertvolle Einsichten und Werkzeuge, um die Komplexität der modernen Welt besser zu verstehen und erfolgreich damit umzugehen. Dennoch überfordert oder überfrachtet es zu keiner Zeit.
„Was wir denken, ‚ist‘ nicht, sondern wird erst durch seine ständige Wiederholung geschaffen und verfestigt. So ist aus einem Abziehbild der Wirklichkeit die Wirklichkeit selbst geworden – und wir bemerken dies nicht, weil wir am Abziehbild kleben anstatt an der Wirklichkeit.“
Svenja Hofert
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