Eines der Finanzbücher, die am vollmundigsten wertvolle Inhalte teasern und am Ende dann leider definitiv nicht abliefern. Kein gutes Buch.
Finanzen & Investitionen

Das große Handbuch für erfolgreiche Aktien-Anleger

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★★☆☆☆

DAS GROSSE HANDBUCH FÜR ERFOLGREICHE AKTIEN-ANLEGER von Gisela Baur, Peter Thilo Hasler, Antonie Klotz, Hans G. Lindner und Brigitte Wallstabe-Watermann*. Wieder einmal ein Buch, das sich selbst „Standardwerk“ schimpft. Die Autoren behaupten, „alles über Börsentrends, Anlagestrategien, Aktienauswahl, Bilanzen und Steuer fundiert“ zu erklären. Dieser Anspruch ist selbst auf 600 großformatigen Seiten schier utopisch. / Anzeige

Allein an diesen beiden Schlüsselwörtern, „Standardwerk“ und „alles“, stoße ich mich direkt. Wie will man denn bitte alles über all diese Themen – vor allem inklusive Steuern – in nur ein einziges Buch hineinbekommen? Und es dann auch noch fundiert erklären? Das erschließt sich mir nicht im Geringsten. Insbesondere mit Blick auf Steuerfragen und meinen Konz*, den ich alle zwei Jahre durcharbeite. Hier kommst du zur Rezension.

„Ein umfangreiches und unverzichtbares Standardwerk für alle, die erfolgreich in Aktien investieren und die Mechanismen und Gesetzmäßigkeiten an den Börsen verstehen möchten.“
vom Backcover

Inhaltlich sind mir dann aber zusätzlich noch etliche Dinge wirklich sauer aufgestoßen.

Dabei soll das Buch gerade Menschen helfen, die „tiefer in die Materie rund um Börse, die Auswahl der besten Aktien und funktionierende Anlagestrategien einsteigen“ wollen.

Das fünfköpfige Autorenteam verspricht, bewährte Anlagestrategien und die wichtigsten Einflussfaktoren für Aktienmärkte fundiert zu erklären. Aber was am Ende vor allem fehlt, sind kritische Einordnungen und wissenschaftliche Belege. Man bekommt vielmehr den Eindruck, dass die Autoren letztere nur dann anführen, wenn sie in ihr Weltbild passen. Wo das nicht der Fall ist, lassen diese sie nur allzu gerne weg oder stempeln sie als „andere Meinung“ bzw. Glaubensfrage ab. Wer wie ich von einem Standardwerk der Finanzbranche eine kritische und wissenschaftlich fundierte Einordnung erwartet, wird hier enttäuscht.

Für meinen Anspruch an ein Standardwerk ist es nicht ausreichend, Menschentypen z. B. stumpf in verschiedene Anlageklassen und -strategien einzuteilen. Vielmehr sollte man den Fokus darauf legen, den Leuten Wissen zu vermitteln. Und sie ausführlich auf die Risiken und katastrophalen Erfolgsaussichten von kurzfristigen Spekulationen und allen möglichen Auswüchsen des aktiven Handels aufmerksam machen. Weder benennen die Autoren die Erfolgsaussichten verschiedener Anlagestrategien, noch setzen sie diese sauber in Relation zueinander. Denn wo ist die Benchmark für die „bewährten Anlagestrategien“, die uns versprochen werden?

So riskiert man, dass Anleger aufgrund mangelnder kritischer Auseinandersetzung und Aufklärung Irrglauben erliegen.

„Sie erfahren, wie Sie unter Berücksichtigung von individuellen Faktoren wie Risikotoleranz, Anlagehorizont und Vermögen die aussichtreichsten Aktien herausfiltern können.“
vom Backcover

Dieser Satz sagt sehr viel über den zugrunde liegenden Glaubenssatz der Autoren aus.

Sie präsentieren lediglich die Vielfalt an Investment-Strategien, ohne sie wirklich kritisch einzuordnen. Offenbar geht es hier rein um die Vielfalt.

Aber dann darf man das Buch eben auch nicht Standardwerk nennen, sondern eher Sammelsurium. Zumindest erwarte ich persönlich von einem Standardwerk eine kritische und wissenschaftlich fundierte Auseinandersetzung mit den präsentierten Inhalten. Und kein deskriptives Herunterbeten von Mythen, Glauben und Praktiken. Diese ziehen ihre Daseinsberechtigung allein daraus, dass sie von vielen gelebt werden und etliche daran glauben. Aber eben nicht daraus, dass sie ein wissenschaftliches Fundament haben.

An Horoskope glauben auch viele Menschen und dennoch würde ich sie in einem Standwerk der Sternenkunde nicht unkritisch darlegen.

„Ein renommiertes Team aus erfahrenen Wirtschaftsjournalisten und Finanzexperten hat alle wichtigen Aspekte des Aktieninvestments intensiv unter die Lupe genommen.“ Das kann man zwar gerne behaupten, aber mit der Realität in diesem Buch hat es recht wenig zu tun. Denn das Autorenteam betrachtet die Themen weder im Detail noch aus verschiedenen Blickwinkeln und vor allem nicht fundiert wissenschaftlich.

An dieser Stelle ein paar Worte zu den Autoren:

Es handelt sich hierbei um recht bekannte Wirtschaftsjournalisten und Akteure innerhalb der Finanzbranche.

Die promovierte Volkswirtin Gisela Baur beschäftigt sich vor allem mit dem Einfluss gesamtwirtschaftlicher und politischer Aspekte auf die Börsen. Sie wechselte nach einigen Jahren als Analystin einer Bank in den Journalismus.

Peter Thilo Hasler ist Gründer der Sphene Capital GmbH, die Aktien- und Anleihen-Research anbietet. Zu diesem Thema habe ich bereits sein Buch Alles, was Sie über Anleihen wissen müssen* hier rezensiert. Neben seiner Erfahrung als Analyst ist er Dozent für Unternehmensbewertung.

Antonie Klotz arbeitete als Börsenhändlerin, bevor sie in den Journalismus wechselte. Sie war leitende Redakteurin bei Börse Online und ist Mitgründerin des Journalisten-Kollektivs finanz-journalisten.de.

Hans G. Linder war lange Zeit Chefredakteur und später Herausgeber von Börse Online. Zuvor arbeitete er als Kapitalmarktanalyst bei einer Bank und war Wirtschaftsredakteur einer Tageszeitung.

Brigitte Wallstabe-Watermann schreibt als Volkswirtin für Finanz- und Wirtschaftsmedien vorwiegend über Bankdienstleitungen, Vermögensaufbau und Steuern. Darüber hinaus ist sie als Moderatorin aktiv.

Bei dieser Breite an Erfahrung wundert mich manches wirklich sehr.

Z. B., dass auch im Kapitel über die Inflation nicht an einer einzigen Stelle beschrieben wird, woher der Begriff eigentlich kommt, welchen Einfluss der Staat bei diesem ganzen Zusammenspiel hat etc. Warum andere auf Ihre Kosten immer reicher werden* ist definitiv ein deutlich besseres Buch zu diesem Thema. Hier kommst du zu meiner Rezension.

Auch Sätze wie dieser sind faktisch einfach Blödsinn: „Um eine breite Risikostreuung zu erreichen, können Sie einen weltweit anlegenden ETF wählen und dann mit Einzelpositionen ergänzen.“ Die wissenschaftlichen Studien, die ich zu diesem Thema gelesen habe, sind sich zwar nicht zu 100 Prozent einig. Aber der Konsens lautet: Das Maximum an breit diversifizierten Wertpapieren im Portfolio, um noch einen nennenswerten Diversifikationseffekt messen zu können, liegt bei 50 Titeln. In einem „weltweit anlegenden ETF“ sind aber in der Regel bereits hunderte, wenn nicht sogar tausende Werte enthalten. Woher soll sich da bitte noch eine breitere Risikostreuung ergeben? Das ist wissenschaftlich betrachtet einfach Unfug, der hier beschrieben wird.

An dieser Stelle könnte man sehr gut weitere Asset-Klassen als Diversifikationsquelle aufführen. Stattdessen behaupten die Autoren allen Ernstes, dass die Hinzunahme von weiteren Einzelwerten zu einem Weltportfolio weitere Diversifikationseffekte mit sich bringen würde. Das wäre allerdings nichts anderes als eine Übergewichtung einzelner Unternehmen. Denn die Einzelwerte werden mit sehr großer Wahrscheinlichkeit bereits im Weltportfolio enthalten sein.

Insgesamt hat es das Buch leider nicht so mit der Wissenschaft.

So wird auch auf die Frage aktives vs. passives Investieren keine einzige Studie oder wissenschaftliche Untersuchung herangezogen. Die Autoren erwecken den Eindruck, als seien die Forscher sich in dieser Frage schlicht uneins. Als hätten beide Parteien im Grunde keine handfesten Argumente, sondern nur ihre Überzeugung. Und so schließt man das Kapitel dann allen Ernstes mit der haarsträubenden Aussage: „Aktives Investieren macht deutlich mehr Arbeit als passives. Wer die Mühe nicht scheut und gut auswählt, hat die Chance auf Erfolg.“ Ganz ehrlich, da kann man auch gleich einpacken und hätte das Kapitel erst gar nicht schreiben müssen.

Witzigerweise lautet dann aber auf derselben Seite dieses Kapitels im Bereich „Nachhaltig investieren“ eine Zwischenüberschrift: „Wissenschaftliche Arbeiten liefern überzeugende Argumente“. Das heißt: Wenn diese Untersuchungen der aktiven Herangehensweise der Autoren helfend unter die Arme greifen, werden sie glorreich zitiert. Und ansonsten lassen sie diese einfach unter den Tisch fallen. Aktiv vs. Passiv ist eben nur eine Pro-Contra-Betrachtung. Und das Wort Opportunitätskosten braucht man in einem Standardwerk diesbezüglich sicherlich auch nicht einmal fallen zu lassen. Ironie off.

Die Ausführungen zur technischen Analyse ein paar Kapitel weiter sind dann ebenfalls wieder eine Farce:

„Technische Analyse – mit Charts die Märkte in den Griff bekommen“, heißt es schon fast naiv in der Überschrift des Kapitels.

„Es gibt Anleger und Anlegerinnen, die pfeifen auf KGV, Dividendenrendite oder KBV und halten die Fundamentalanalyse für reine Zeitverschwendung, Sie verlassen sich lieber auf die technische Analyse und achten auf Gleitende Durchschnitte, Chartformationen und markttechnische Indikatoren. Und es gibt Anleger und Anlegerinnen, die können der Charttechnik überhaupt nichts abgewinnen. Sie vertrauen bei der Aktienauswahl und beim Timing einzig und allein auf fundamentale Kennziffern. Wie so oft sind derart extreme Positionen auch an der Börse nicht der Weisheit letzter Schluss. Vielmehr sollten Aktienanleger bei ihren Kauf- und Verkaufsentscheidungen keine Scheuklappen aufsetzen und am besten Informationen aus beiden Welten für sich nutzen. Das macht schon allein deswegen Sinn, weil die Finanzmärkte von beiden Analyserichtungen bewegt werden, da ja somit sowohl fundamental als auch technisch orientierte Akteure an den Börsen handeln und damit Kurse beeinflussen.“
aus dem Buch

Nicht ein einziges Mal erwähnen die Autoren die Markt-Effizienz-Hypothese, für die renommierte Wirtschaftswissenschaftler mit dem Nobelpreis geehrt wurden.

An keiner Stelle gehen sie darauf ein, dass es für die technische Analyse keine wissenschaftlichen Belege gibt. Aber weshalb auch? Stattdessen findet man auch in diesem Kapitel überhaupt keine nennenswerten Quellen. Das ist leider ein Muster in diesem Buch: Wenn es den Autoren ins Bild passt, rücken sie die Glaubensfrage in den Mittelpunkt, statt Klarheit zu schaffen. Damit stößt man natürlich auch niemanden vor den Kopf. Und gleichzeitig kann man an der Überzeugung festhalten, stets neue Inhalte zu berichten.

Für mich richtig schwierig. Denn Einsteiger werden da niemals durchsteigen und am Ende blindlings glauben, was in diesem vermeintlichen Standardwerk zum Besten gegeben wird. Weshalb sollten sie auch zweifeln? Es besteht kein Anlass, wenn renommierte Persönlichkeiten der Branche in einem ebenfalls angesehenen Verlag publizieren.

Wenn du noch auf der Suche nach einem sehr guten Depot bist, kann ich dir dieses hier* empfehlen. Das für mich beste Girokonto im Filialbereich bietet die Santander Bank*, für reines Online-Banking die Comdirect* und dieses hier* ist für mich das beste Mobile-Banking-Konto. Weitere Empfehlungen meinerseits – auch zu Kreditkarten, P2P, Geschäftskonten und Co. – findest du hier.

Trotzdem finde ich es frappierend, wie gerade die Self-Fullfilling-Prophecy zur technischen Analyse mal wieder am Leben erhalten wird.

Denn mit Bezug auf die Effizienzmarkt-Hypothese kann sie nicht einmal in schwach informationseffizienten Märkten funktionieren. Und mir ist keine einzige wissenschaftliche Untersuchung bekannt, die den Aktienmarkt eines Industrielandes als schwach informationseffizient titulieren würde. Obwohl dies wahrscheinlich das typischste Thema für eine erste Seminararbeit in einem Finanzstudium ist. Es wird nicht einmal dazu geraten, sich mit dieser Idee absolute Nischenmärkte zu suchen – was im Übrigen auch für Value-Investing und Co. empfehlenswert wäre.

Auch im Zusammenhang mit Dividenden-Strategien wird nicht auf die steuerlichen Nachteile von regelmäßigen und unkontrollierbaren Ausschüttungen hingewiesen. Ebenso wenig natürlich auch auf die Steuerfreistellungsvorteile bei Aktien-ETFs gegenüber Einzelaktien.

Das geschieht selbst später im Part über die „wichtigsten Steuerregeln für Aktionäre“ nicht. Wie lautet noch einmal der Anspruch des Buches? Es informiert „umfassend, fundiert und vollständig selbst über Steuerthemen“? Auch das kann ich leider nicht bestätigen. Wir finden im Steuerkapitel zwar Hinweise auf das FIFO-Prinzip im Depot. Aber die Depotschaukel wird nicht einmal als Idee am Rande erwähnt. Es gibt auch keinen Plan oder eine Hochrechnung zur Optimierung der Steuerlast oder dergleichen. Nur sehr viel allgemeine Informationen.

So kann ich diesem Buch unterm Strich einfach keine gute Bewertung geben.

Auch wenn 300 von 600 Seiten sicherlich gute Inhalte vermitteln. Vielleicht hätte es gutgetan, dem Buch keinen so vollmundigen Titel zu geben. Denn damit werden natürlich große Erwartungen geweckt, denen dieses Buch nicht gerecht wird. Es werden vielleicht nicht direkt Falschinformationen vermittelt. Sondern vor allem werden Informationen – gefühlt fast schon gezielt – verschwiegen. Und das läuft am Ende auf das Gleiche hinaus.

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