SUPER-HUBS von Sandra Navidi* war offen gestanden eines der Bücher, das mich direkt zu Beginn abgestoßen hat. Und das aus gleich zwei Gründen: Zum einen strotzt dieses Buch im Vorwort, im Einband und in vielen Kapiteln nur so von gegenseitiger Beweihräucherung. Zum anderen behandelt es auf der anderen Seite auch noch ein – meiner Meinung nach – medial bereits vollkommen überladenes Thema: Die „Finanzelite“ als dunkle Macht a la Star Wars. / Anzeige
Wen das Thema dennoch wirklich interessiert, dem gewährt die Autorin fachliche und persönliche Einblicke in das globale Finanzsystem mit all seinen Kongressen, Zirkeln und geheimen Kreisen. Diese exklusiven Netzwerke mögen auf den ersten Blick für manch einen begehrenswert erscheinen, aber sie fordern eben auch nicht zu unterschätzende Opfer. So ist es beispielsweise Voraussetzung für den Erfolg als „Super Hub“, dass der Job stets und unter allen Umständen Priorität genießt. Priorität gegenüber der Familie, den Freunden und allen anderen persönlichen Verpflichtungen. Denn die Luft ist dünn an der vermeintlichen Spitze der Gesellschaft.
Aus dieser scheinbar privilegierten Stellung heraus resultieren ständige Erreichbarkeit, öffentliche Dauerbeobachtung, kritische Berichterstattung zur eigenen Person, immenser Erfolgsdruck, Konkurrenzkampf und Isolation. Vor allem letzteres weckt bei Verschwörungstheoretiker:innen das nicht enden wollende Interesse. Denn wenn die Menschen nicht wissen, was vor sich geht, beginnen sie bekanntlich zu mutmaßen.
„Mein „Mein Eindruck ist, dass finanzpolitische Entscheidungsträger keine Staatsgeheimnisse verraten. Trotzdem besteht in persönlichen Treffen die Möglichkeit, zwischen den Zeilen zu lesen und Rückschlüsse aus der verbalen und nonverbalen Kommunikation zu ziehen.“
Sandra Navidi
Mit diesem Buch erhalten die Leser:innen Einblicke in Räumlichkeiten, zu denen sie sonst keinen Zutritt hätten. Sie erfahren aus erster Hand von Dingen, die man nur vermuten würde. Und sie lernen, dass diese Kreise nur gewisse Leute anziehen.
Solche eben, die sich über Geld, Macht und Status definieren. Die aber auch bei Verlust der Stellung zu Identitätskrisen und Depressionen neigen.
An vielen Stellen wirkt dieses Buch auf mich allerdings ein wenig aufgeblasen. Wenn man darüber hinweglesen kann, dann beinhaltet es interessante Geschichten vom Aufstieg und Fall diverser Personen in diesen Kreisen. Der inhaltliche Mehrwert ist aber wirklich überschaubar. Es bewegt sich eher auf Talk-Show und Klatsch-Niveau statt auf Ebene einer guten Dokumentation.
„Das Streben nach Macht folgt auf dem grundlegenden Level aus unserem Überlebenswillen. Es korreliert nachweislich mit einem hohen Testosteronspiegel und löst positive neurologische Reaktionen aus. Die Forschung hat gezeigt, dass Macht insofern erstrebenswert ist, als dass sie die Voraussetzung für Selbstbestimmung ist, die wiederum Zufriedenheit, Gesundheit und eine höhere Lebenserwartung mit sich bringt.“
Sandra Navidi
Selbstverständlich ist es äußerst schwierig tatsächlich in solche Kreise zu gelangen. Natürlich eröffnet einem das diverse Möglichkeiten, Geschäfte zu machen, die man sonst wahrscheinlich nicht hätte abschließen können, weil man eben nun direkt mit den Entscheider:innen sprechen kann. Aber das ist für mich einfach nicht genug. Denn das Buch bietet inhaltlich nichts Neues für mich und das, was es inhaltlich bietet, ist in anderen Publikationen deutlich besser aufbereitet worden.
Trotzdem kann man jedem Buch immer noch etwas Positives entnehmen und so wird dieses Buch zum Schluss hin deutlich besser. Es ist ein gutes Beispiel dafür, dass man trotz eines sehr schlechten ersten Eindrucks manchmal doch weiterlesen sollte. An einigen Stellen hat es sogar den Charakter eines recht interessanten Ratgebers zum Thema Netzwerken. Wenn man die Verschwörungstheorien beiseitelässt, dann ist dies der Teil, der der Leserschaft wirklichen Mehrwert liefert.
Über all die detailliert beschriebenen Feiern hinweg thematisiert die Autorin zum Schluss noch politisch präsente Themen wie unterrepräsentierte Frauen, Geschlechterungerechtigkeit usw. Aber auch hier bleibt dieses Buch ein Erfahrungsbericht einer privilegierten Person, die die Möglichkeit hatte, in diesen Kreisen zu verkehren, und die nun ihre Eindrücke mit uns teilt. Es kommt nicht einmal ansatzweise in der Tiefe an vergleichbare Publikationen und/oder Biografien heran.
„Intelligente und wissenschaftliche Leistungen sind unverzichtbar, um den Finanzolymp zu erklimmen. Studien haben nachgewiesen, dass Chefs in der Finanzwelt auf der Skala der intelligenten und akademischen Fähigkeiten ganz oben rangieren. Zwischen intellektuellen Fähigkeiten und Vermögen besteht eine direkte Korrelation, die bei Milliardären besonders ausgeprägt ist. Es erscheint offensichtlich aber jetzt haben wir den wissenschaftlichen Beweis: größere Intelligenz erhöht die Chancen auf ein größeres Vermögen.“
Sandra Navidi
Bis zum Schluss fällt es mir so schwer, dieses Buch final zu bewerten.
Denn neben der Tatsache, dass die sehr ausgiebig beschriebenen Passagen beinahe ohne jeglichen Wissenszuwachs auskommen, sind sie streckenweise doch zumindest recht unterhaltsam. Dieses Buch wirkt aber vielmehr wie eine Klatschzeitung. Wer Klatsch, Tratsch und endlose Debatten gernhat, wird hier auf seine/ihre Kosten kommen. Anschließend hat man mit Sicherheit einiges an neuen Geschichten, die man in seinen eigenen Kreisen zum Besten geben kann. Wer aber etwas dazulernen möchte, wird nicht viel Verwertbares finden. Mit Ausnahme der oben bereits beschriebenen Abschnitte zum Netzwerken und zum Aufstieg in solche Kreise. Zu diesen Themen gibt es aber eben auch deutlich bessere Bücher. Für mich, bei all den Vorschusslorbeeren auf der Titelseite, dem Backcover und dem Einband, ein wirklich enttäuschendes Buch.