WENN HÖFLICHKEIT REINHAUT von Peter Modler* ist ein wirklich grandioses Werk über die hohe Kunst der Kommunikation und Moderation. Eine umfassende Anleitung für die Kunst der Gesprächsführung für alle, die Gespräche und Meetings leiten oder daran teilnehmen. Sei es in Unternehmen, Organisationen oder anderen Kontexten. / Anzeige
Modler geht davon aus, dass jeder Mensch auf seine Art vernünftig ist. Aber wir ticken alle unterschiedlich und haben daher unterschiedliche Sprach- und Verhaltensweisen. Er interpretiert eine alte Frage neu: Wie führt man gute Gespräche – und zwar „führen“ im Sinne von: „Ich bin verantwortlich dafür, dass das Gespräch zu einem guten Ergebnis kommt.“ Moderation als Kampfkunst ist dabei nicht ausschließlich provokativ gemeint. Sondern genau das erwartet der Autor in schwierigen Situationen von Moderatoren.
Er versteht darunter eine durchsetzungsstarke Gesprächsführung.
Seine Überzeugung: Wer diese beherrscht, schärft Ideen, schont Nerven und schützt die Demokratie. Insbesondere gegenüber ignoranten Gesprächspartnern sei sie wichtig. Für ihn gibt der Klügere nicht nach, er hält dagegen.
Entscheidend ist für ihn in diesem Zusammenhang vor allem folgendes: eine tiefe innere Disziplin, ein Beharren auf Form, das Einüben geeigneter Werkzeuge und eine geschulte Wahrnehmung. Aber auch die Bereitschaft, dem Gegenüber entschlossen entgegenzutreten.
Dabei baut das Buch auf bekannten Grundlagen guter Kommunikation auf. Der Autor greift Themen auf, die versierte Leser seiner Bücher bereits aus vorherigen Werken kennen sollte. Z. B. die Unterscheidung von vertikaler und horizontaler Kommunikation, Move Talk, Basic Talk und High Talk. Modler erklärt, wie man diese Grundlagen in offiziellen Meetings in Unternehmen oder anderen Organisationen anwenden kann. Aber auch bei der Moderation von Gesprächen auf Veranstaltungen und sogar „schwierigen“ Gespräche, in denen man keine formelle Führungsrolle besitzt, aber dennoch zu einem Ergebnis kommen möchte.
„Die Fähigkeit, ja, der Reflex, sogar der Wille, anderen Leuten bei Meetings ins Wort zu fallen, haben damit zu tun, wer welche ‚Sprache‘ spricht. Und die Möglichkeiten, darauf angemessen zu reagieren, auch. Allein die Tatsache allerdings, dass es diese unterschiedlichen ‚Sprachen‘ überhaupt gibt, wird im professionellen Kontext verdrängt und lieber nicht thematisiert. Der Sachverhalt wird weder an Universitäten gelehrt noch an Managementinstituten. Von den meisten Kommunikationsprofis wird er lieber ignoriert, weil sie ihn als zu große Zumutung empfinden, ja womöglich als intellektuelle Kränkung, obwohl das vorliegende empirische Material kaum zu übersehen ist.“
Peter Modler
Meiner Meinung nach ist das Buch dabei sehr gut strukturiert und didaktisch aufbereitet.
Der Autor präsentiert eine ganze Reihe von Beispielen und Veranschaulichungen, um seine Tipps zu vermitteln. Darunter sind auch etliche prominente TV-Momente der letzten Jahre. So ist es noch einmal interessanter, den Analysen des Autors zu lauschen. Im direkten Vergleich zu anderen Situationen spürt man, wie unterschiedlich Gespräche verlaufen können, in Abhängigkeit von der Moderationsleistung.
Er geht auf Regeln ein, die demokratische Prozesse absichern, Teammeetings effektiver machen und Schreihälse runterregeln. Dabei betont er, dass Regeln keine Einschränkung von Freiheit bedeuten sollten. Vielmehr sind sie notwendig, um eine regelhafte Gesprächskultur zu etablieren. Die Macht der Moderation ist für Peter Modler real. Ergebnisloses Gerede, sprunghafte Auseinandersetzungen, ständiges Unterbrechen und langatmige Monologe in vielen Meetings sind nicht nur für ihn ein regelrechter Graus. Auch ich kann mich noch an meine Zeit im Industrieunternehmen erinnern, mit dutzenden vollkommen sinnbefreiten Gesprächsrunden, die keinerlei Früchte trugen.
„Moderatorinnen und Moderatoren, die in ihrer Rolle etwa nur ‚nett‘ sein wollen oder dem Chef (oder ihrer Partei) mit der Übernahme dieser Funktion einen Gefallen tun möchten, warne ich gleich: Ihre tatsächliche Verantwortung hat mit Nettigkeiten gar nichts zu tun. Mit diesem Auftrag steht man ganz schnell vor gähnenden Abgründen, begibt sich in echte professionelle Gefahren, kann aber auch tief befriedigende Erfahrungen machen.“
Peter Modler
Heute versuche ich es selbst besser zu machen und konnte diesem Buch einige spannende Impulse entnehmen: „Wer Diskussionen in Firmen, Parlamenten und in der Öffentlichkeit produktiv machen will, braucht eine Persönlichkeit, die unnachgiebig einen Fairness-Rahmen verteidigt.“
An dieser Stelle ein paar Worte zum Autor:
Dr. Peter Modler war viele Jahre in Firmen der Medienbranche als Manager und Unternehmer tätig. Seit 1998 leitet er seine eigene Unternehmensberatung (www.drmodler.de).
Er ist zudem Dozent an der Universität Freiburg und war fünf Jahre Arbeitsrichter am Arbeitsgericht Freiburg. Er ist Autor zahlreicher Bücher, darunter sein SPIEGEL Bestseller Mit Ignoranten sprechen*. Besonders spannend fand ich, dass er sich mit seinen Trainings vor allem an weibliche Führungskräfte richtet. Bisher konnte er bereits über 2.000 Teilnehmerinnen auf ihrem Weg zu einer besseren Kommunikation betreuen.
Zweifelsfrei ein Bereich, in dem er auch mir helfen kann. Wie sympathisch, dass die Büchereule bereits auf seinem Cover verewigt ist!
„In meinem Fall war der Auslöser ein politischer Skandal von eher begrenzter Bedeutung. Aber er hat mir die Augen geöffnet. Seither drängen sich mir immer mehr Symptome auf, die dann schon gar nichts mehr mit dem ursprünglichen Anlass zu tun haben, um den es seinerzeit ging. Und am Ende ist ein ganzes Buch entstanden.“
Peter Modler
Modler bezeichnet Moderatoren als „Pontifexe“ und „Gatekeeper“, die sich nicht in den Vordergrund spielen sollten.
Aber sie können dennoch machtvoll eingreifen, wenn die Zersetzung regelhafter Gesprächskultur droht. Mit vielen Beispielen auch aus seiner langjährigen Beratungspraxis illustriert Modler seine Thesen und gibt dem Leser praxisnahe Tipps.
„Wir haben uns allerdings angewöhnt, diesen Funktionen Etiketten zu geben, die über ihre ausschlaggebende Bedeutung hinwegtäuschen. Wir nennen sie in der deutschen Sprache ‚Moderatorinnen‘ oder ‚Moderatoren‘, den Akt selbst nennen wir ‚Moderation‘. Allein mit dieser Benennung machen wir die Sache kleiner, als sie ist. Eine Besprechung (oder eine Parlamentssitzung) zu ‚moderieren‘, bekommt im deutschsprachigen Kontext leicht etwas Valiumartiges. Viele haben dabei ein Vorverständnis, als sei ‚Moderation‘ etwas, das die Wogen so zu glätten habe, dass niemand laut – und damit unangenehm – würde. Sozusagen merkelig. Eine Moderatorin oder ein Moderator habe insofern, entsprechend der Wortherkunft vom Lateinischen ‚moderare‘, mäßigend auf die Beteiligten einzuwirken, vorgeblich wegen der erwünschten Sachlichkeit. Demzufolge scheint gute Moderation so etwas wie das begütigende Verhalten von Eltern zu sein, die es fertigbringen, ihre kleinen Kinder möglichst geräuschlos zum Schlafen zu bringen. Ein völlig abwegiges Missverständnis dieser Rolle.“
Peter Modler
Inhaltlich beschäftigt sich das Buch mit der Rolle von Moderatoren in Politik und Wirtschaft.
Es geht darum, welche Fähigkeiten diese benötigen und in welchem Rahmen sie ihre Wirksamkeit entfalten können. Dabei geht es weniger um Nettigkeiten als vielmehr um eine kommunikative Kampfkunst. Diese erfordert eine tiefe innere Disziplin, geschulte Wahrnehmung und die Bereitschaft, dem Gegenüber entschlossen entgegenzutreten.
Menschen, die solche Aufgaben übernehmen, können eine zentrale Schaltstelle sein, von deren Funktionieren ganze Demokratien beeinflusst werden. In einem organisationalen Sinne wäre der Moderator eine Person, die eine Gruppe bei der nachhaltigen Verarbeitung von Wissen begleitet. Der Titel des Buches spielt mit einem Homonym aus der Alltagssprache und stellt die Frage, welche Auswirkungen Höflichkeit auf die Gesellschaft hat. Moderatoren müssen entschlossen sein, ihren Dienst mit Zähnen und Klauen zu verteidigen. Nur so können sie einen Raum für produktive Auseinandersetzung zur Verfügung stellen.
Im ersten Kapitel dient die politische Bühne als Beispiel dafür, wie man Konflikte moderieren kann. Im zweiten Kapitel wird anhand von Fußball gezeigt, wie Schiedsrichter als Gatekeeper bei leidenschaftlichen und kontroversen Spielen fungieren. Im dritten Kapitel geht es um den Einsatz der Moderation im Schulunterricht. Hier kann sie dazu beitragen, Niederlagen in der Wissensvermittlung zu vermeiden.
Im vierten Kapitel betrachtet der Autor Meetings in Unternehmen. Auch in diesem Kontext können Gatekeeper eingesetzt werden. Im fünften Kapitel erläutert er den Unterschied zwischen Mediation und Moderation und untersucht, ob Moderation ohne Machtausübung möglich ist. Kapitel sechs reflektiert, welche Faktoren eine effektive Moderation beeinflussen und wer dazu befähigt ist. Kapitel sieben zeigt, wie wichtig die Anfangsphase von Meetings ist und wie die Gatekeeper die Kommunikation beeinflussen. Kapitel acht beschäftigt sich mit Störungen während des Meetings und damit, wie man als Moderator ernst genommen wird.
Es ist wichtig, nicht nur Gefahren abzuwehren. Man braucht auch Fähigkeiten und Werkzeuge, um Meetings produktiv zu gestalten.
Kapitel 9 erklärt, wie man ein „Brückenbauer“ wird, der die Kommunikation fördert. Kreativität und Spielfreude sind eng miteinander verbunden, besonders in Gruppen mit unterschiedlichen Menschen. Kapitel 10 zeigt die mächtige Funktion von Geschäftsordnungen in Organisationen und wie man sie gegen Widersacher verteidigt. Kapitel 11 beschäftigt sich mit der Relevanz von Fernseh-Moderation für Meetings und Kapitel 12 mit dem Moderationsbedarf von Video-Konferenzen. Kapitel 13 geht auf die Ethik der Moderation ein und betont die Bedeutung der Wahrnehmung der Person und der Distanz zur Person. Schließlich gibt es in Kapitel 14 eine Checkliste für Moderatoren, um sicherzustellen, dass sie ihren Job gut machen.
„Menschen, die damit betraut worden sind, die Ordnung einer Kommunikation zu gewährleisten, haben eine unverzichtbare Aufgabe. Wenn sie es selbst zulassen, dass diese Funktion ausgehöhlt wird, sinkt vorhersehbar die Qualität jeden inhaltlichen Austauschs. Sie sind es, die am Ende den Ausschlag geben, ob die Kommunikation einer Gruppe produktiv wird oder vergeblich bleibt. Wenn Höflichkeit reinhauen muss, sind sie es, die das umsetzen, nicht aus eigener Eitelkeit, nicht aus Hemmungslosigkeit, sondern weil es ein Klima des Respekts nicht gratis gibt und sie genau dafür einstehen.“
Peter Modler
Das Buch ist eine Pflichtlektüre für alle, die in Gruppen arbeiten oder solche leiten und moderieren.
Es bietet konkrete Impulse und eine Checkliste im letzten Kapitel, um die berufliche Wirksamkeit zu verbessern.
Insgesamt eine sehr gelungene Zusammenstellung von Tipps und Techniken für eine erfolgreiche Gesprächsführung und Moderation. Es ist gut strukturiert, praxisnah und vermittelt dem Leser eine fundierte Grundlage für eine bessere Gesprächskultur.
„Worum ich mich nicht kümmere in diesem Buch, ganz absichtlich: um sogenannte Moderation innerhalb des Internets. Wo Algorithmen uneingeschränkt herrschen und flächendeckend Anonymität herrscht, kann von Moderation im eigentlichen Sinn kaum die Rede sein (bei aller Solidarität mit denen, die sich die dortigen Übergriffe täglich zumuten müssen, weil jede künstliche Intelligenz damit überfordert ist). Mir geht es in diesem Buch vor allem um den Wirtschafts- und Politikkontext, der darunter leidet, dass unglaubliche Energien in sinnlosen Meetings verschwendet werden oder eine Debattenkultur untergeht, weil die strukturierende Kraft der Gatekeeper nicht genutzt wird.“
Peter Modler
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