ANLAGECHANCEN 2023 – DEN ANLAGEWINTER ÜBERSTEHEN von Ralf Vielhaber und Stefan Ziermann* ist ein Werk voller Börsenprognosen. Im Kern also genau das, wovon ich normalerweise großen Abstand halte. Der Mehrwert erschließt sich mir nicht sonderlich und die Nutzbarkeit der Informationen ist in der Regel überschaubar. Dieses Buch konnte meine Meinung dazu nicht verändern. Dennoch fand ich es spannend, meinen Blick mal über den Tellerrand schweifen zu lassen. / Anzeige
Als überzeugte passive Investorin sind mir Börsenprognosen bereits im Kern ein Mysterium. Ich verstehe, weshalb Menschen es einfach nicht lassen können, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, wohin sich gewisse Unternehmen, Märkte oder Branchen entwickeln werden. Aber ich kann nicht sonderlich nachvollziehen, weshalb diesen Prognosen so viel Aufmerksamkeit geschenkt wird.
Selbstverständlich lesen sich die Analysen und Zukunftsabschätzungen der vermeintlichen Experten in diesem Werk spannend und fundiert.
In diesem Buch sind sie letzteres auch tatsächlich. Sie machen allesamt einen ausgereiften und durchdachten Eindruck. Nur bringt das leider unterm Strich nicht viel. Das zeigt auch die selbstkritische Auseinandersetzung der Autoren mit ihren eigenen Börsenprognosen aus dem Vorjahr im Buch selbst.
An dieser Stelle verweise ich auf meinen Artikel im Cash Magazin mit dem Titel „Celine Nadolny: Warum ich keine Börsenprognosen lese“.
Dieses Buch verspricht uns, dass wir mit seiner Hilfe den Anlagewinter überstehen werden. Interessanterweise muss ich gestehen, dass ich diesen überhaupt nicht mitbekommen habe. Und das ist nicht einmal schlimm. Denn im Kern sagen alle wissenschaftlichen Erkenntnisse in diesem Zusammenhang das gleiche: Der Winter gehört zum Investieren genauso dazu wie der Sommer, nur prognostizieren können wir ihn nicht. André Kostolany sagte mal so schön über das Problem bei der Antizipation von Börsenzyklen: Diejenigen, die stets auf den richtigen Moment für den Einstieg warten, werden den Aufschwung verpassen.
Daniel Kahnemann und Nassim Taleb haben bereits in unzähligen Untersuchungen festgestellt, dass die wesentliche Rendite an nur wenigen Börsentagen im Jahr gemacht wird.
Ist man an den Tagen nicht investiert, verpasst man sie. Und da passt das Sprichwort sehr schön, das Saidi Sulitatu immer wieder zum Besten gibt: „Time in the market beats timing the market.“ Wer das noch nicht verstanden hat, sollte unbedingt mal Die Berechnung der Zukunft von Nate Silver* lesen (hier kommt ihr zu meiner Rezension). Oder Die Kunst des klaren Denkens von Rolf Dobelli* (hier meine Rezension). Letzteres ist auch für Einsteiger mehr als verständlich geschrieben.
„Deutschland steht ein kalter Anlagewinter bevor. Die Inflation bleibt hoch. Die Notenbanken ziehen die Zinsen kräftig an. Sie setzen damit den Euro und Aktien unter Druck.“ Solche Aussagen beschreiben die Lage an sich erst einmal richtig. Aber ob die Schlussfolgerung auch so eintreten wird, steht auf einem ganz anderen Blatt.
Investoren, die häufig solche News lesen, sollten sich stets eine Sache ins Bewusstsein rufen: Annahmen betreffend der Zukunft sind bereits in den Preisen am Aktienmarkt enthalten. Es wird nicht die Gegenwart gehandelt, sondern die Zukunft. Das heißt: Ich kann zwar glauben, dass XY eintreten wird. Doch das heißt noch lange nicht, dass ich damit auch Geld verdiene, indem ich darauf setze. Denn womöglich hat der Markt XY+ antizipiert und ist über XY enttäuscht, worauf die Aktie fällt.
Investieren an der Börse kann so einfach und stressfrei sein.
Vor allem, wenn man Gerd Kommer, John Bogle, Tony Robbins und Co. folgt. Dann kann man solches Rauschen, wie es Daniel Kahnemann nennen würde, einfach an sich vorbeiziehen lassen.
„Was also tun?“ Das ist die Leitfrage dieses Werkes und wohl auch die Leitfrage so ziemlich jeder Börsenprognose. Sie wollen den Lesern ja zeigen, wie sich die Zukunft höchstwahrscheinlich entwickeln wird und wie man sich passend dazu am Markt positioniert. Nur funktioniert das eben in der Regel nicht. Deshalb ist am Ende weder die Zeit für die Recherche noch für das Schreiben wirklich sinnvoll genutzt. Ganz zu schweigen von der Zeit, die das Lesen und Umsetzen kostet.
Hier nenne ich nur das Stichwort der Opportunitätskosten. In derselben Zeit hätte man weiteres Eigenkapital verdienen und die Sparraten erhöhen können. Und dann hätte man über den Cost-Average-Effekt an einem Börsenwinter positiv verdient.
Wenn du noch auf der Suche nach einem sehr guten Depot bist, kann ich dir dieses hier* empfehlen. Das für mich beste Girokonto im Filialbereich bietet die Santander Bank*, für reines Online-Banking die Comdirect* und dieses hier* ist für mich das beste Mobile-Banking-Konto. Weitere Empfehlungen meinerseits – auch zu Kreditkarten, P2P, Geschäftskonten und Co. – findest du hier.
„Angesichts dieser Situation ist es umso wichtiger, dass sich Anleger gezielt mit ihrem Portfolio auseinandersetzen. FUCHS sagt Ihnen, mit welcher Anlagemischung Sie gute Chancen haben, Vermögensverluste gering zu halten. Und wir zeigen Ihnen, wo es auch 2023 Rendite-Chancen gibt.“
Ralf Vielhaber & Stefan Ziermann
An dieser Stelle ein paar Worte zu den Autoren:
Ralf Vielhaber ist Geschäftsführer und Herausgeber der Informationsdienste für Unternehmer und Anleger im Verlag FUCHSBRIEFE. Zugleich ist er Chefredakteur der Sonderpublikationen im Bereich Private Banking und des BeraterFuchs. Er ist regelmäßig Gast in Videobeiträgen und Podcasts zu Geldanlage- und Wirtschaftsfragen. Außerdem ist er Beirat im Center of Asset and Wealth Management an der Wissenschaftlichen Hochschule für Unternehmensführung – Otto Beisheim School of Management.
Stefan Ziermann ist Chefredakteur im Verlag FUCHSBRIEFE. Er verantwortet in dieser Rolle mehrere Börsenbriefe.Darüber hinaus ist er Herausgeber des jährlich publizierten FUCHS-Geldanlagebuches „Anlagechancen“ und des FUCHS-Broker-Ratings.
Der Inhalt des Buches ist also durchaus streitbar, die Bindung ist allerdings ganz ordentlich. Auch der Umfang des Werkes ist am unteren Limit. Es dürfte gerne etwas mehr sein, um sich auch tatsächlich Buch zu nennen. Offiziell sind es zwar beinahe 190 Seiten, aber bei der Papierdicke, Bindung und dem Format wirkt es nach weniger.
Größter Kritikpunkt bei der Gestaltung ist die penetrante Werbung im Buch selbst.
Vor allem die Doppelseite direkt nach dem Cover ist einfach komplett unpassend und überladen. Das nimmt dem Buch massiv an Seriosität. Diese ist aber meiner Meinung nach bei solchen Themen enorm wichtig. Es wird Werbung für Broker, Handelsplattformen, Messen und Co. gemacht. Fast scheint es, als ob das Buch eigentlich nur gedruckt wurde, um den Werbepartnern eine gewisse Auflage zu präsentieren. Und nicht, um es tatsächlich durch Verkauf unter die Leute zu bringen.
„Unter der Schneedecke keimt es bereits wieder für den nächsten Aufschwung. Die Welt befindet sich in einem technologischen, wirtschaftlichen sowie gesellschaftlichen Umbruch. Alte Industrien sterben ab, neue entstehen. Wir leben in einer Phase der schöpferischen Zerstörung (Joseph Schumpeter). Doch damit neuer Wohlstand entstehen kann, brauchen Wirtschaft und Gesellschaft den Sauerstoff der Freiheit. Freiheit ist nötig, damit die Wirtschaft leistungsfähig und Gesellschaften erfolgreich sein können. Freiheit bedeutet aber auch Verantwortungsübernahme, zuvorderst für sich selbst, aber natürlich auch für das eigene Umfeld. Freiheit bedeutet die Chance sich herauszuheben aus der Masse und die Gefahr des Scheiterns. Chance und Risiko, wie an der Börse. Ein Modell, das gerade nicht sehr hoch im Kurs steht.
Ein neuer Kommunitarismus hat Einzug gehalten und bedrängt die (schöpferische) Freiheit des Individuums. Er könnte verhindern, dass bei einsetzendem Tauwetter alles schnell wieder grünt und blüht.
Die aufgezeigten Strömungen verwirbeln noch. Alles fließt, und worin dies alles mündet, ist im Herbst 2022 noch kaum abzusehen. Bevor anhaltendes Tauwetter einsetzen kann, wird es immer wieder zu Temperaturstürzen kommen. Insofern ist es wichtig, die Sinne zu schärfen. Es gilt, kleine, aber bedeutsame Veränderungen ebenso wahrzunehmen, wie den ungetrübten Blick für die großen Linien zu behalten, um nicht in die nächste Bullenfalle zu tappen, nach dem Motto: Zu früh gefreut.
Gefährliche Naivität hat sich breit gemacht. Bevor es Frühling wird, sind noch einige Kälteeinbrüche zu erwarten.“
Ralf Vielhaber & Stefan Ziermann
Die Beiträge sind im Grunde eigentlich ganz interessant und schön gestaltet. Redaktionell wurde hier gute Arbeit geleistet.
Im Inneren wirkt das Buch auch – eben abgesehen von der teilweise doppelseitigen Werbung – wertig. Für mich erschließt sich aber unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten nicht der enorme Aufwand, der hinter der Erstellung gesteckt haben muss. Schon im selbstkritischen Rückblick lässt sich erkennen, dass die Eintrittswahrscheinlichkeit der Prognosen nicht mehr als Zufall ist. Dabei sollte man zusätzlich noch berücksichtigen, dass eben viele der getroffenen Annahmen bereits am Markt eingepreist sein werden. Auch diejenigen, die für das nächste Jahr getroffen wurden.
Ein Eintreten würde dementsprechend nicht einmal mehr zu einem finanziellen Vorteil führen. Selbst wenn man die Mühen auf sich nehmen würde, das Buch vollständig durchzuarbeiten und entsprechend der Weisungen der vermeintlichen Orakel das eigene Portfolio umzuschichten.
Da bleibe ich doch lieber bei meiner passiven Investitionsstrategie. Ich peile, wie Gerd Kommer immer so schön sagt, den Durchschnitt an, um oberhalb des Durchschnitts zu landen.
So kann ich dem Buch unterm Strich keine bessere Bewertung geben als ein „solide“ und somit 2 Sterne. Es unterstreicht für mich nur, weshalb ich persönlich ansonsten keine Börsenprognosen lese. Die Kompetenz all der beteiligten Menschen in allen Ehren. Doch man hätte ihren Aufwand anderweitig als Gesellschaft auch sinnvoller einsetzen können.
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