DAS GROSSE BUCH VOM SCHLAF von Matthew Walker* ist zweifellos ein beeindruckendes und umfangreiches Buch. Es bietet einen tiefen Einblick in die Bedeutung des Schlafs für unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden. Aber auch für unsere Leistungsfähigkeit und physische sowie kognitive Entwicklung. Der Autor präsentiert dabei eine Fülle von wissenschaftlichen Erkenntnissen und verdeutlicht eindrucksvoll, wie der Schlaf unser gesamtes Leben beeinflusst. / Anzeige
Das Buch ist dabei gleichermaßen lehrreich, spannend und fundiert. Somit ist es in meinen Augen eines der wertvollsten Werke zu diesem Themenbereich. Gleichzeitig gehört es auch zu den umfangreichsten.
Obgleich oder gerade weil dieses Buch so viel Aufmerksamkeit in der weltweiten Medienlandschaft erhielt, rührten sich natürlich auch kritische Stimmen.
Es lassen sich wohl ein paar Ungereimtheiten an den präsentierten Ergebnissen finden. Bei genauerer Untersuchung dieser Kritik ändert sich dadurch aber nichts an den Grundaussagen des Autors. In Anbetracht der wertvollen Passagen dieses Werkes stellt sie deshalb für mich keinen Grund zur Abwertung dar.
Das Buch ist am Ende vor allem eines: eine schallende Ohrfeige an all die „Macher“ da draußen, die jede Nacht nur vier Stunden schlafen.
Sie meinen, dass sie so ein produktiveres und erfolgreicheres Leben führen würden. In jungen Jahren und kurzfristig mag das womöglich zeitweise gelingen. Mittel- und langfristig gibt es aber wohl kaum zweifelhaftere Ideen.
Was mir persönlich allerdings direkt zu Beginn nicht gefallen hat, ist der Untertitel des Buches. Man merkt schon recht schnell, von welchem Teil des Erdballs der Autor kommt. Dieser typisch amerikanisch-reißerische Untertitel wäre einfach nicht nötig gewesen: „Die enorme Bedeutung des Schlafs – beste Vorbeugung gegen Alzheimer, Krebs, Herzinfarkt und vieles mehr.“ Ich frage mich, wie das überhaupt mit der in diesem Themenbereich in der Regel sehr strengen Gesetzgebung vereinbar ist.
Fakt ist: Es gibt keinen wissenschaftlich belegbaren Zusammenhang zwischen Schlaf und der Heilung der oben genannten Krankheiten.
Das möchte ich an dieser Stelle einmal in aller Deutlichkeit festhalten. Obwohl der Autor im Buch selbst nochmals solche Assoziationen bekräftigt. Auch der Untertitel könnte dahingehend missverstanden werden.
Sicherlich trägt Schlaf seinen Teil zu einem gesunden Allgemeinzustand bei. Man sollte aber Krankheiten wie Krebs wirklich nicht ohne stichhaltige Kausalkette mit irgendetwas in Verbindung bringen.
Unter Umständen reagiere ich damit nun aber auch über und es ist reine Geschmackssache.
Immerhin werden solche Versprechungen oft in der Verlagsbranche verwendet, um die Aufmerksamkeit potenzieller Leser zu erregen. Entsprechend dürfen sie nicht immer für voll genommen werden. Dennoch darf man sich meiner Meinung nach fragen, ob es wirklich notwendig ist, so stark zu polarisieren.
„Haben Sie in der vergangenen Woche genug Schlaf bekommen? Können Sie sich noch erinnern, wann Sie zuletzt ohne Wecker ganz ausgeruht aufgewacht sind und nicht sofort eine Dosis Koffein brauchten? Wenn die Antwort auf eine dieser Fragen ‚Nein‘ lautet, sind Sie in bester Gesellschaft. Zwei Drittel der Erwachsenen in industrialisierten Ländern schlafen nicht wie empfohlen acht Stunden pro Nacht. Diese Tatsache wird Sie sicher nicht überraschen, die Folgen dagegen vielleicht schon. Wer dauerhaft weniger als sechs oder sieben Stunden pro Nacht schläft, zerstört sein Immunsystem, sodass sich das Krebsrisiko mehr als verdoppelt. Die Schlafdauer hat maßgeblichen Einfluss darauf, ob ein Mensch an Alzheimer erkrankt oder nicht. Unzureichender Schlaf – selbst ein geringfügiger Mangel, der nur eine Woche andauert – beeinträchtigt den Blutzuckerspiegel so stark, dass sich eine Vorstufe eines Diabetes feststellen lässt. Verkürzter Schlaf erhöht die Wahrscheinlichkeit für verstopfte und spröde Arterien, was langfristig zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlaganfällen und kongestiver Herzinsuffizienz führen kann.“
Matthew Walker
Trotz dieser Kritikpunkte überwiegen meiner Meinung nach die positiven Seiten des Buches deutlich. Für mich ist es ein wichtiger Weckruf für diejenigen, denen Schlaf entbehrlich und erschreckend rationierbar erscheint.
Unser Schlaf ist ein Thema, das wirklich jeden betrifft. Ich sage das zwar auch über das Thema Finanzen, aber beim Schlaf ist es wohl noch offensichtlicher.
Wir alle schlafen und das hoffentlich ausreichend und regelmäßig. Nun muss uns nur noch bewusst werden, was unsere Schlafqualität mit unserer Gesundheit und unserer Leistungsfähigkeit zu tun hat. Dann werden wir offen für Matthew Walkers nützliche Tipps, wie wir unseren Schlaf verbessern können. Möglicherweise sieht die Pharmaindustrie das nicht so gerne, mit Blick auf den Absatz von Schlafmitteln. Aber mir erschließt sich – wie so häufig – nicht, weshalb wir dem Thema nicht mehr Aufmerksamkeit schenken.
Unter Umständen, weil das Thema ebenso wie Finanzen zu unsexy wirkt. Sprüche wie „Schlafen kannst du, wenn du tot bist“ klingen einfach zu cool.
„Träume bieten jeder Spezies, die das Glück hat, sie zu erleben – auch dem Menschen – einzigartige Vorteile. So liefern sie unter anderem ein beruhigendes neurochemisches Bad, das schmerzliche Erinnerungen lindert, sowie eine virtuelle Realität, in der das Gehirn Vergangenheit und Gegenwart miteinander verschmelzen lässt, um die Kreativität zu fördern.“
Matthew Walker
An dieser Stelle ein paar Worte zum Autor:
Prof. Dr. med. Matthew Walker ist eine renommierte Persönlichkeit auf dem Gebiet der Neurowissenschaften und Psychologie. Als Professor an der University of California, Berkeley, leitet er das Schlaflabor und hat eine beeindruckende akademische Karriere hingelegt. Zuvor war er Professor für Psychiatrie an der Harvard University.
Mit über 100 wissenschaftlichen Studien hat er einen bedeutenden Beitrag zur Schlafforschung geleistet und ist etablierter Experte auf diesem Gebiet. Durch sein Wissen und seine Forschung verstehen wir die Bedeutung des Schlafs für die Gesundheit und das Wohlbefinden des Menschen besser.
Das große Buch vom Schlaf* ist sein erstes Buch. Es erlangte große Aufmerksamkeit und wurde sowohl zum New York Times- als auch zum Sunday Times- und SPIEGEL-Bestseller.
Übersetzt wurde diese deutsche Ausgabe von Annika Tschöpe.
„In Deutschland sind etwa 20 Prozent der schweren Verkehrsunfälle auf die Übermüdung des Fahrers zurückzuführen. Es sollte uns sehr zu denken geben, dass mehr Autounfälle auf Schläfrigkeit zurückzuführen sind als auf Alkohol und Drogen zusammen!“
Matthew Walker
Inhaltlich ist das Buch in vier Teile gegliedert.
Teil 1 beschäftigt sich damit, was wir Schlaf nennen. Hier geht der Autor auf Koffein, Jetlag und Melatonin ein, definiert den Begriff Schlaf und erläutert dessen Entstehung und Evolution. Außerdem erfahren wir, wie sich unser Schlafverhalten im Laufe unseres Lebens verändert.
Teil 2 stellt zunächst einmal die provokative Frage, warum wir überhaupt schlafen sollten. Dabei geht der Autor auf den Zusammenhang zwischen Schlaf und Gehirnentwicklung ein. Vor allem beleuchtet er aber die negativen Auswirkungen von Schlafmangel auf den menschlichen Körper.
Im dritten Teil widmet er sich unseren Träumen. Weshalb träumen wir überhaupt? Sind Träume am Ende eine Art nächtliche Therapie und wie wirken sich Träume auf unsere Kreativität aus? Besonders interessant empfand ich aber die Passagen über die Traumsteuerung. Sicher genieße nicht nur ich es, zu merken, dass man träumt, aber noch nicht aufzuwachen, sondern den Traum vollumfänglich auszukosten.
Der letzte Teil ist dann etwas gesellschaftskritischer. Was hindert uns am Schlafen, was fördert unseren Schlaf und was schadet ihm?
Aber auch die Auswirkungen von Schlaftabletten werden thematisiert. Am Ende kommt der Autor mit seiner Vision für den Schlaf im 21. Jahrhundert und 12 handfesten Tipps zum Punkt.
„Leider ist der Mensch die einzige Spezies, die sich selbst ganz gezielt am Schlafen hindert, ohne dass dies erkennbare Vorteile mit sich bringt. Die Missachtung unseres Bedürfnisses nach Schlaf hat in zwischenmenschlicher und finanzieller Hinsicht einen hohen Preis und betrifft alle Aspekte des Wohlbefindens und vieles, was unsere Gesellschaft zusammenhält. Und zwar so sehr, dass die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den Schlafmangel in Industrienationen mittlerweile zur Epidemie erklärt hat.“
Matthew Walker
Matthew Walkers Werk kann dabei helfen, das Verständnis für die Bedeutung des Schlafs zu vertiefen und gesundheitsbewusstere Entscheidungen zu treffen. Die sind dann vielleicht nicht allzu cool, dafür aber richtig wertvoll für unser weiteres Leben. Genauso wie passives Investieren vielleicht nicht so spannend, aber am Ende in der Regel doch erfolgreicher ist als aktives Investieren.
Insgesamt kann ich dem Buch damit nichts anderes als die Bestbewertung von fünf Sternen geben. Insbesondere das Preis-Leistungs-Verhältnis ist bei diesem Brocken einfach unschlagbar.
Da fragt man sich mitunter, wie der Verlag das hinbekommt. Immerhin kostet manches 08/15-Self-Publishing-Buch ohne nennenswertes Fundament bei nicht einmal halb so großem Umfang das Dreifache.
Gerade einmal 13,00 Euro für fast 500 Seiten sind ein Ausrufezeichen. Großes Lob an dieser Stelle an den Goldmann Verlag und Matthew Walker. Mit Blick auf die Marge hätten sie hier sicherlich deutlich höher ansetzen können.
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