DER AKTIEN- UND BÖRSENFÜHRERSCHEIN von Beate Sander* war eines der Bücher, an die ich mit gemischten Gefühlen herangegangen bin. Denn ich hatte auf der einen Seite schon viel Positives, aber auf der anderen Seite auch schon sehr viel Negatives über dieses Buch gehört. Und am Ende war auch ich zwiegespalten, wie ich es einschätzen sollte. / Anzeige
Zunächst einmal möchte ich vor der Rezension Beate Sander nochmal meinen Dank aussprechen
Wie kaum eine Zweite hat sie in den letzten Jahren ihres Lebens für die Aktien- und Börsenkultur in Deutschland gekämpft. Mit ihrer Masse an Publikationen lassen sich ganze Bücherregale füllen und selbst in der BILD-Zeitung sorgte sie mit ihrer Kolumne für Lobbyarbeit für den eigenverantwortlichen Umgang mit dem Thema Finanzen.
Ihr Aktien- und Börsenführerschein sollte das Standardwerk für Börseneinsteiger sein. Im Untertitel schreibt sie selbst von der Lizenz zur Geldanlage. Vom Äußeren her wirkt das Buch auf den ersten Blick schon mal sehr hochwertig und ansprechend. Auch das Gewicht ist enorm, was in der Regel ein gutes Zeichen ist. Bei meiner Ausgabe handelte es sich um die 10., komplett neu bearbeitete Jubiläumsausgabe. Diese bietet wie auch alle anderen Beate Sander Bücher einen Zusammenschluss aus kleinen inhaltlichen Kapiteln, dutzenden Musterdepots für vorsichtige, erfolgsorientierte und risikofreudige Anleger, sehr große FAQ Abschnitte und diversen Selbsttests zum Thema Börsenwissen.
Sie versucht mit diesem Werk alle wichtigen Bereiche der Geldanlage abzudecken:
Vom Portfoliomanagement über unterschiedliche Anlageklassen bis hin zu ETFs, Fundamentalanalyse, Charttechnik und Börsenpsychologie. Eigentlich schon im Ansatz eine unlösbare Aufgabe bei nur knapp 350 Seiten.
„Viele Bundesbürger, obwohl verärgert wegen abgeschaffter Guthabenszinsen und über Enteignung klagend, ändern aus Risikoscheu ihr Anlageverhalten nicht. Mit Sparbuch und Geld unter der Matratze lässt sich kein Vermögen aufbauen.“
Beate Sander
Selbstverständlich vermittelt dieses Buch enorm viele wertvolle Dinge für Einsteiger
Es beschreibt im Groben, wie die Börse funktioniert. Was Aktien, Fonds, ETFs, Anleihen und Co. sind, aber darüber hinaus ging auch bei etlichen Formulierungen bei mir die Alarmglocke an. Unabhängig davon, dass man all diese Themen auf 350 Seiten niemals sauber zu Papier bekommen kann – erst recht nicht, wenn man 250 Seiten bereits mit Karikaturen und Tabellen einnimmt – sind einige Passagen mehr als fragwürdig. So werden Einsteigern tatsächlich PennyStocks als Beimischung zum Portfolio empfohlen. Und das, wo jeder halbwegs gescheite Finanzexperte lauthals davon abraten würde und wissenschaftliche Untersuchungen nicht nur extreme Risiken, sondern auch Manipulationen im großen Stil aufdeckten. An anderer Stelle wird ungenau über die Nutzung von diversen Kennzahlen wie bspw. dem KGV berichtet und auch den ewigen Listen von historischen Kursverläufen kann ich nichts abgewinnen. In eben einer dieser Listen schreit mich die Wirecard Aktie schon fast so sehr an, dass ich mich zum direkten Kauf verleitet sehe. Und das Anfang 2020, kurz vor dem Absturz dieses Papiers.
Nachdem dies nun bereits mein zweites Buch von Beate Sander war, beginne ich langsam zu verstehen, warum sie auch für die BILD Zeitung eine Kolumne schreiben durfte bzw. sehe Abfärbungen zurück in ihre Publikationen
Dieses Buch strotzt nur so vor bunten Bildchen, reißerischen Karikaturen, lauten Überschriften und dem ewig mit schwimmenden Geruch vom schnellen Reichtum.
So ist dieses Buch für mich vor allem laut, bunt, ungenau und voll mit seitenweise WKN-Nummern. Damit jeder am besten noch direkt über den Broker am Smartphone die Aktien und Muster-Depots ordert.
Den simplifizierenden Ansatz in allen Ehren, sollte man dennoch professionell, seriös und genau bleiben. Ob ein solches Layout und Überschriften wie „Viagra fürs Portfolio“ als professionell und seriös bezeichnet werden können oder Teil der gängigen Investmentpornografie sind, sei mal dahingestellt. Aber die etlichen inhaltlichen Ungenauigkeiten und teilweise riskanten Vereinfachungen von mehr als risikoreichen Assetklassen sind definitiv kein guter Nährboden für Börseneinsteiger.
So bin ich zwiegespalten: Könnte man doch aus diesem Buch deutlich mehr machen
Denn die gewählte Sprache ist sehr einfach zu verstehen, ideal für Einsteiger und auch der grobe Themenabriss passend gewählt. Nur darf man meiner Meinung nach – insbesondere in Büchern für Einsteiger – einfach kein falsches, ungenaues oder irreführendes Bild von der Börse liefern. Als Autorin von Finanzratgebern für Einsteiger hat man nochmals eine größere Verantwortung. Und dieser Verantwortung ist bspw. eine Jessica Schwarzer in EINFACH ERFOLGREICH ANLEGEN* deutlich besser gerecht geworden.
Ich ziehe den Hut vor dem Lebenswerk der Beate Sander, aber den Erfolg dieses Buches kann ich zwar nachvollziehen, aber nicht verstehen.