Eine umfassende, respektvolle und lebendige Darstellung des Lebens und Schaffens einer der einflussreichsten Persönlichkeiten in der Modewelt.
Karriere & Unternehmertum

Jil Sander

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JIL SANDER von Maria Wiesner* ist eine faszinierende und tiefgehende Biografie über die herausragende Modedesignerin, die die Modebranche Deutschlands revolutionierte. Das Buch gewährt einen Einblick in das Leben und Werk von Jil Sander. Diese etablierte sich in einer Zeit, in der Frauen noch eingeschränkte Rechte hatten, nicht nur als Modedesignerin. Sondern sie war auch eine Pionierin im Unternehmertum. / Anzeige

Besonders positiv ist mir dabei direkt der Untertitel des Buches aufgefallen: „Eine Annäherung …“. Nachdem ich das Buch genüsslich gelesen habe, kann ich zwar nachvollziehen, weshalb die Autorin diesen Untertitel gewählt hat. Ich muss aber hinzufügen, dass es eine sehr gelungene Annäherung geworden ist.

Man spürt direkt, dass in diesem Buch unglaublich viel Recherche steckt.

Maria Wiesner hat umfangreiche Gespräche mit ehemaligen Mitarbeitern, Weggefährten, Modeexperten und anderen Brancheninsidern geführt. Unter anderem deshalb, weil Jil Sander sehr darauf achtet, was öffentlich über sie bekannt wird und was eben nicht. Der Schreibstil der Autorin zeigt Respekt und Bewunderung für Jil Sander und ihre zweifelsfrei bahnbrechenden Beiträge zur Modewelt. Aber auch für ihre Vorreiterrolle als starke Frau in einer männerdominierten Unternehmerwelt.

Die Biografie gliedert sich in verschiedene Abschnitte, welche die wichtigen Stationen im Leben und der Karriere von Jil Sander beleuchten. Beginnend mit ihrer Kindheit in Norddeutschland werden die Leser durch die Siebziger, Achtziger und Neunziger bis ins neue Jahrtausend geführt. Dabei beleuchtet Maria Wiesner nicht nur berufliche Aspekte. Sondern sie nimmt auch persönliche Aspekte in den Blick, die Jil Sander zu der Person gemacht haben, die sie ist.

Für mich als junge Frau waren vor allem die gesellschaftlichen Umstände, in denen Jil Sander ihre Designs entwickelte, äußerst interessant.

Die Autorin hebt dabei hervor: Jil Sander kämpfte nicht nur gegen Modekonventionen an, sondern auch gegen die gesellschaftlichen Erwartungen an Frauen in ihrer Zeit. Schon das Bewältigen einer dieser beiden Herausforderungen verdient Hochachtung. Jil Sander bewerkstelligte aber beides gleichzeitig und das auch noch mit Bravour.

Besonderes Augenmerk legt Maria Wiesner auf Jil Sanders Persönlichkeit. Insbesondere geht sie auf ihre Abneigung gegenüber öffentlichen Auftritten und ihre Fokussierung auf die Substanz ihres Werks ein. Jil Sander ist nicht nur eine Modedesignerin, sondern ebenso eine herausragende Unternehmerin. Sanders Fähigkeit, Teams zu inspirieren und Perfektion in der Umsetzung ihrer Ideen zu fordern, betrachtet die Autorin als erfolgsentscheidend.

„‚Pure‘ sei ihr Design, so betonte sie immer wieder, geradlinig, rein, nach einem höchsten Maß an Schönheit strebend. Dabei hatte sie ihre ersten Inspirationen aus einer ganz anderen Moderichtung erhalten. In den frühen Siebzigerjahren war sie oft in London und fasziniert von den Punks, die hier das Modephänomen der Stunde waren, bevor sie zur Inspiration einer weltweiten Jugendbewegung wurden. Im Januar 2023 zog Jil Sander selbst eine erstaunliche Modeparallele. In ihrem Nachruf auf die britische Designerin Vivienne Westwood, die Königin der Punk-Mode, schrieb sie: ‚Im Modedesign war sie das Gegenprojekt zu meiner Aussage, aber in der Motivation habe ich mich ihr verwandt gefühlt.‘ Beide hätten zu Beginn ihrer Karriere in den Siebzigerjahren nach Authentizität gesucht. ‚Ich habe nur eine andere Richtung eingeschlagen und bin dafür eingetreten, dass Frauen als sie selbst wahrgenommen werden, nicht als rückständigen Traditionen verhaftetes Phantasma.‘“
Maria Wiesner

Auch der inhaltliche Abschluss der Annäherung an die Persönlichkeit Jil Sander ist sehr interessant.

Dort wird die zeitlose Bedeutung ihrer Designs und ihrer Vorbildrolle für junge Designschüler, aber auch Frauen im Allgemeinen, wertgeschätzt. Besonders in diesem Part, aber auch schon vorher immer wieder zwischen den Zeilen, betont Maria Wiesner: Jil Sanders Lebenswerk ist eine Inspiration für künftige Generationen. Diese können den Weg der Geradlinigkeit und zeitlosen Schönheit in der Modebranche fortsetzen. Und wie Jil Sander sollen sie sich nicht unterkriegen lassen von möglichen Restriktionen.

„Jil Sander steht nicht gern vor großem Publikum. Wer sie in Frankfurt 2017 bei der Eröffnung ihrer Ausstellung ‚Präsens‘ im Museum Angewandte Kunst sah, wie sie vor die anwesenden Presseleute und Fotografen trat, konnte das ahnen. […] Jil Sander nahm die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit hin, als gehöre sie zu den Pflichten ihres Daseins, nicht zur Kür, in der man schwelgt. Im Rampenlicht zu stehen, das mochte sie nie. Auch bei ihren Modenschauen auf der Mailänder Fashion Week spähte sie immer nur wie zur Vergewisserung am Ende ins Publikum. Wo andere, vor allem männliche, Designer sich gern groß feiern ließen, den ganzen Laufsteg entlangliefen und Promis mit Handschlag begrüßten, winkte Sander kurz und verschwand wieder im Backstage-Bereich, weil es ihr um etwas anderes geht als den Rummel.“
Maria Wiesner

An dieser Stelle ein paar Worte zur Autorin:

Maria Wiesner ist geboren und aufgewachsen in Brandenburg. Ihre Leidenschaft für Sprachen, Kulturen und das Schreiben hat sie zu einem beeindruckenden beruflichen Werdegang kombiniert. Sie absolvierte ihr Studium in Germanistik, Italianistik und Journalistik an renommierten Universitäten in Dresden, Leipzig, Florenz und Reggio di Calabria.

Während ihres Studiums und danach bereiste sie Europa, Asien und Afrika. Das verschaffte ihr einen breiten interkulturellen Blick und eine tiefe Verbindung zur globalen Vielfalt. Zahlreiche ihrer Reportagen und Essays wurden in renommierten Medien wie dem FAZ-Magazin, der FAZ, dem BBC World Service und Deutschlandradio Kultur veröffentlicht.

Seit 2016 ist Maria Wiesner als Redakteurin im Ressort Gesellschaft bei FAZ.net tätig.

Hier widmet sie sich insbesondere den Themen Mode und Film. Dabei verbindet sie ihre Fähigkeiten im Schreiben und ihre Leidenschaft für kulturelle Ausdrucksformen gekonnt miteinander. Ab 2022 übernahm Maria Wiesner zusätzlich die Rolle der Koordinatorin für das Ressort „Stil“ bei FAZ.net.

„Und noch etwas störte und ärgerte mich: der qualitative Unterschied zwischen dem Kleidungsangebot für Frauen und Männer – für Sie und Ihn, wie es früher hieß. Die Kleidung für Frauen, so empfand ich es, hatte eher ephemeren Charakter. So etwas Launiges und Launisches, das oft in einem Modeschöpfer-Blödsinn gipfelte, der den Frauen offensichtlich nur das geistig-ästhetische Rückgrat einer Barbiepuppe zumuten mochte.« »Schönheit ist auch das Gefühl, die Gegenwart in der eigenen Existenz angemessen zu reflektieren.«
Jil Sander

Neben dem sympathischen Untertitel haben mir auch die hochwertige und stilvolle Hardcover-Bindung und der Einband auf Anhieb sehr gut gefallen.

Beides passt zu Titel und Thema des Buches. Natürlich kann man auch schlecht ein Buch über eine Modeikone verlegen und dann bei der Qualität der Publikation nachlässig sein. Das wäre aus meiner Sicht vollkommen unpassend gewesen. Aber das soll nicht die Leistung von HarperCollins schmälern, die hier ein tolles Werk zu einem angemessenen Preis herausgebracht haben.

Denn das Buch hat wirklich Charme und Stil. Ein Lesebändchen wäre vielleicht für mich noch eine nette Ergänzung gewesen, aber definitiv kein Muss.

Inhaltlich ist es nicht nur sehr gut aufbereitet, sondern vor allem ungeheuer spannend.

Insbesondere für eine jüngere Frau wie mich, die viele der Erzählungen so selbst Gott sei Dank nie miterleben musste. Auch wenn ich aus heutiger Sicht sagen muss, dass es mitunter immer noch nicht schön ist. Zu Jil Sanders Zeiten hätte ich als Frau aber definitiv nur sehr ungern in einer derart männerdominierten Businesswelt leben wollen.

Ich ziehe den Hut vor allen Frauen, die es unter diesen Umständen geschafft haben, ihre Leidenschaft zum Beruf zu machen. Und die trotz all der Restriktionen zu wirtschaftlichem Erfolg gelangen, ohne dabei selbst zu zerbrechen. Eben deswegen betrachte ich Jil Sander als riesiges Vorbild. Sie ist eine wahre Powerfrau und ich bin dankbar, diese Biografie gefunden und gelesen zu haben. 

„Mode ist eine Kunst, aber von Kunstschaffenden erwartet man heute, dass sie für ihr Werk auch an der Klatsch-, Tratsch- und Menschelei-Front werben. Jil Sander hat das keinen Augenblick lang getan. Über ihr Leben, ihre Familie, ihre Hobbys sprach sie fast nie, und wenn, dann nur in kurzen, knappen Antworten. Es gab eine Seite ihres Lebens, die nur ihr gehörte. Auch und gerade wenn es in Zeiten, in denen Prominente auf Instagram intimste Einblicke in ihre Schlafzimmer gewähren und von einem eigenen PR-Team TikTok-Accounts führen lassen, unvorstellbar scheint, gilt es umso mehr, dies zu respektieren.“
Maria Wiesner

Ehrlich gesagt habe ich an diesem Buch nichts sonderlich auszusetzen.

Es ist sehr angenehm aufbereitet mit Bildern, faktenorientierten Erzählungen, aber eben auch spannenden Anekdoten, Hintergrundinformationen und Randnotizen der Autorin selbst. Man spürt: Hinter diesem Buch steckt wirklich einiges an Recherche und die Autorin brennt für das Thema, die Branche und diese Powerfrau. Sie hat ihr mit diesem Buch eine Stimme gegeben. Und damit hat sie vielen Lesern auf spannende Art und Weise eine Persönlichkeit nähergebracht, die sich selbst nie derart in den Mittelpunkt rückte.

Schlussendlich ist die Biografie von Jil Sander ein rundum gelungenes Buch. Eine umfassende, respektvolle und lebendige Darstellung des Lebens und Schaffens einer der einflussreichsten Persönlichkeiten in der Modewelt – insbesondere in Deutschland. Dabei muss man nicht unbedingt modeinteressiert sein, um Gefallen an diesem Buch zu finden. Möglicherweise entwickelt man dieses Interesse auch erst durch dieses Werk. Denn Maria Wiesner vermittelt über ihre Sprache einen Teil ihrer Passion für diese Welt. 

„Was bleibt, ist die Inspiration, die Sanders Gradlinigkeit jungen Designschülern vermitteln kann, der Wunsch, Schönheit zu kreieren, allen Widrigkeiten zum Trotz. Auf die Frage, ob sie heute noch immer die Welt verschönern wolle, sagte Sander 2021: ;Was Schönheit betrifft, sind die Ansprüche verschieden, obwohl die Natur Momente bietet, die jeden berühren, wie jüngst der unerwartete Wintereinbruch – ich war fasziniert von dem klaren Licht hier im Norden und dem extrem reinen Schnee. Die Natur ist uns allen voraus, auch als Designerin. Über mich würde ich lieber sagen, dass ich die Dinge ordnen und auf das Wesentliche des Augenblicks reduzieren möchte. Und das Wesentliche ist eine Funktion der Zeit und verändert sich. Schönheit ist auch das Gefühl, die Gegenwart in der eigenen Existenz angemessen zu reflektieren.‘“
Maria Wiesner

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