Der Autor wirft einen kritischen Blick auf Deutschland. Zentrales Thema ist dabei das Christensen Innovator’s Dilemma.
Politik

Radikal neu

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★★★★☆

RADIKAL NEU von Thomas Sattelberger* wirft einen kritischen Blick auf Deutschland. Zentrales Thema ist dabei das Christensen Innovator’s Dilemma: Demnach sind gute Geschäfte, gute Produkte und gute Positionen kein Garant für Zukunftsfähigkeit. Und so schaukelt sich laut dem Autor die Misere in Deutschland hoch. Politiker haben seiner Meinung nach oft wenig Verständnis für Innovation und setzen stattdessen lieber auf Bewährtes. Die Wirtschaft hält ebenso an alten Strukturen fest und die Gesellschaft verlangt nach Sicherheit statt nach Veränderung. / Anzeige

Mit diesen Zuständen geht Thomas Sattelberger hart ins Gericht.

Zugleich liefert er, dem Titel des Buches entsprechend, radikale Lösungskonzepte, um Deutschland aus der Abwärtsspirale zu befreien.

Sattelberger war langjähriger Personalvorstand von Unternehmen wie Continental, der Telekom und Lufthansa. Außerdem ist er ehemaliger Bundestagsabgeordneter und war parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung. Damit verfügt er über eine einzigartige und vor allem spannende Perspektive auf die Herausforderungen, vor denen unser Land aktuell steht. Insbesondere mit Blick auf die derzeitige politische Krise rund um den Haushaltsstopp ist das Buch nochmals interessanter.

Inhaltlich startet es mit einem persönlichen Einblick in Thomas Sattelbergers Rücktritt als Parlamentarischer Staatssekretär.

Ich empfinde es stets als unglaublich interessant, über die Beweggründe solcher Persönlichkeiten mehr zu erfahren. Denn ich selbst habe im politischen Umfeld ebenfalls direkt und indirekt nicht die besten Erfahrungen sammeln dürfen. Viele meiner eigenen Beobachtungen decken sich mit den Gründen Sattelbergers für seinen Rücktritt. Diese persönlichen Erfahrungsberichte ermöglichen den Lesern sofort eine Verbindung zum Autor. Somit schaffen sie eine emotionale Grundlage für die weiteren Analysen und Vorschläge.

Dabei hatte ich nie das Gefühl, dass er das Buch als eine Art „Abrechnung“ geschrieben hätte, um mit alten Fehden aufzuräumen oder dergleichen.

Überrascht hätte es mich grundsätzlich nicht, da das bekanntlich nicht das erste Mal im politischen Umfeld gewesen wäre. Stattdessen hatte ich beim Lesen dieses Buches eher den Eindruck, dass die Konflikte hier sachlich geschildert werden. Obgleich es natürlich schwierig zu beurteilen bleibt, wenn man nur eine der beiden Perspektiven liest.

Der Autor argumentiert, dass sich Deutschland in eine Art Innovationskrise befindet, die nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die politische Landschaft durchdringt. Er kritisiert vehement die tradierten Denkmuster und die fehlende Bereitschaft, radikale Veränderungen anzugehen. Dabei nimmt er kein Blatt vor den Mund und benennt klar die Defizite in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. An vielen Stellen war es inhaltlich zwar nichts Neues für mich, weil ich mich schon länger mit der Thematik beschäftige. Gleichzeitig habe ich aber den Eindruck, dass mehr Leute sich damit auseinandersetzen müssten. Nur dann wären diese Erkenntnisse endlich auch auf breiterer Flur unter den Wählern präsent.

Eben deswegen empfinde ich es auch als so bereichernd, dass Thomas Sattelberger nicht nur die Probleme auf dem politischen Parkett adressiert.

Sondern er geht eben auch auf die Herausforderungen in der freien Wirtschaft und vor allem in der Gesellschaft ein. Mitunter erwarten wir von politischen Persönlichkeiten ein radikales Umdenken. Dabei vergessen wir allerdings, dass dazu häufig eine demokratische Mehrheit in der Bevölkerung fehlen würde.

„Warum erwähne ich das? Weil ich eine Lanze brechen will für all jene, die ihr Schicksal nicht unguten Umständen in den Schoß legen, sondern ihr Leben und mithin ihr Potenzial in die Hand nehmen und entfalten. Und diese Potenzialentfaltung hat immer damit zu tun, wie viel Angst ich vor Unbekanntem habe. Und wie man Angst bewältigt: Indem man durch sie hindurchgeht. ‚If you’re going through hell, keep going‘, hat Winston Churchill gesagt.“
Thomas Sattelbeger

An dieser Stelle ein paar Worte zum Autor:

Thomas Sattelberger, ein renommierter deutscher Experte für Transformation, Innovation und Talent, war in verschiedenen Schlüsselpositionen in Politik und Wirtschaft aktiv. Als langjähriger Personalvorstand von Continental, Telekom und Lufthansa trug er maßgeblich zur Entwicklung und Umsetzung wegweisender Konzepte wie New Work und Diversity bei. Er gilt auch als Erfinder der Frauenquote in deutschen Unternehmen, die einen bedeutenden Beitrag zur Förderung der Geschlechtergerechtigkeit leistete.

In der politischen Arena war Thomas Sattelberger von 2017 bis 2022 Mitglied des Deutschen Bundestages. Dort vertrat er die Interessen der Freien Demokratischen Partei (FDP). Von 2021 bis 2022 bekleidete er zudem das Amt des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesministerium für Bildung und Forschung.

Neben seinen beruflichen Engagements hat sich Thomas Sattelberger auch als Vorreiter in sozialen Medien profiliert. Mit einer bemerkenswerten Präsenz auf TikTok gilt er als der erfolgreichste deutsche Politiker auf der Plattform.

Man könnte sein Buch auch als vehemente Forderung nach einer unternehmerischen Innovationsgesellschaft auf allen Ebenen verstehen.

Dabei plädiert der Autor für Kreativität, Freiheit und Wohlstand als Basis für eine erfolgreiche Zukunft. Er stellt die Notwendigkeit von Veränderungen in den Vordergrund und warnt ausdrücklich davor, an veralteten Lösungen festzuhalten. Sei es aus genereller Angst vor Veränderung oder noch toxischeren Beweggründen.

„All dies illustriert trefflich, welche Möglichkeiten ein Politiksystem bietet, um anderen ein Bein zu stellen. Diese Möglichkeiten sind sehr viel vielfältiger als in der Wirtschaft. Die Politik ist ein System organisierten Misstrauens, in dem so viele bei Verdienst und Berufsweg abhängig sind vom parlamentarischen Futtertrog. In der Wirtschaft hingegen herrscht zumindest in weiten Teilen ein System dosierten und konditionierten Vertrauens, das zudem variantenreicher ist, wenn es darum geht, Geld zu verdienen und Karriere zu machen.“
Thomas Sattelberger

Besonders interessant ist natürlich auch Sattelbergers Kritik an der politischen Landschaft.

Allen voran durch sein eigenes Engagement auf höchster Ebene. Aber auch seine Offenheit für alle Parteien und deren Programme werten seine Einblicke nochmals auf. Die Schilderungen von Machtkämpfen und Intrigen wirken mitunter wie aus einem Hollywoodfilm. Doch sie sollten allen einigermaßen rational denkenden Menschen auch nicht besonders fern vorkommen. Der Autor zeigt leider an unzähligen Beispielen nachvollziehbar auf, wie persönliche Interesse und vor allem Eitelkeiten häufig im Vordergrund stehen. So verstellen sie den Blick auf das große Ganze.

„Man unterliegt ja bisweilen der Gefahr, den wirklichen Gegner nicht zu erkennen. Freund, Feind, Parteifreund. Hätte ich es riechen müssen?“
Thomas Sattelberger

So nehmen nicht die Interessen der Wähler, der Partei oder gar des Landes die primäre Rolle bei den Überlegungen ein. Sondern eine mögliche weitere Amtszeit, getätigte Absprachen, zugesicherte Posten und zu erwartende Pensionszahlungen. Wäre das Thema nicht so ernst, könnte man es an manchen Stellen als Komödie bezeichnen.

In Bezug auf unsere Wirtschaft hebt Thomas Sattelberger die Innovationsarmut und die Beharrungskräfte gegen Veränderungen hervor.

Er plädiert für einen radikalen Umbau von Unternehmen: weg von den tradierten Hierarchien hin zu agilen Strukturen, die Innovationen fördern. Damit sich eben nicht mehr jeder an seinem eigenen Sessel fest- und damit den Fortschritt aufhält.

„Unser Land ist voll auf der Rutsche nach unten. Und auf dieser Rutsche gibt es keinen Halt mehr. Deutschland ist der kranke Mann Europas. Punkt. Das ist nicht das Tragische. Entscheidend wird sein, ob es uns gelingt, Deutschland am Wendepunkt zu sanieren und zu erneuern. Aufstieg und Fall von Nationen sind genau so normal wie Höhen und Tiefen des menschlichen Lebens.

Den Schmerz der Krise zu ertragen, ist oft wichtiges Arzneimittel für die Gesundung. Und hier schließt sich ein Kreis. Denn für diese Transformation braucht es Führende, die wissen, wie es ist, wenn man Transformation selbst durchschreitet. Schönwetterkapitäne des eigenen Lebens helfen uns nicht weiter, wenn wir gemeinsam mit anderen glaubwürdig einen neuen Anfang gestalten wollen. Einen Fehler dürfen wir nun nicht mehr machen: angesichts neuer Herausforderungen die alten Lösungen wiederzukäuen. So schmerzhaft es ist: Wer in der neuen Welt bestehen will, muss sich ihr ‚radikal neu‘ stellen.“
Thomas Sattelberger

Seine Analysen stützt der Autor dabei nicht auf Hörensagen, sondern auf Daten und Fakten, die seine Argumentation untermauern.

Parallel schöpft er natürlich auch aus seinem reichen Erfahrungsschatz in Wirtschaft und Politik.

Man darf dieses Buch letzten Endes aber nicht als reine kritische Bestandsaufnahme verkennen. Vielmehr ist es ein zwar ehrlicher, aber konstruktiver Beitrag zur Lösung der angesprochenen Probleme. Radikal Neu* meckert eben nicht nur, sondern präsentiert klare Handlungsanleitungen und innovative Ideen, wie Deutschland seine Innovationskraft zurückgewinnen kann.

Sprachlich ist es dabei wirklich zugänglich und richtet sich an ein breites, politisch interessiertes Publikum.

Thomas Sattelberger verzichtet auf unnötige Fachbegriffe aus Wirtschaft und Politik und vermittelt seine Gedanken auf verständliche Art und Weise.

Für mich wirkte es an vielen Stelle wie eine Mischung aus Biografie und Brandrede. Man hätte die Inhalte meiner Meinung nach aber etwas strukturierter aufarbeiten können. Teilweise wirken die Äußerungen etwas willkürlich aneinandergereiht ohne einen erkennbaren roten Faden. Auch die Ideen und Learnings des Autors hätte man besser visualisieren und greifbar machen können. So finden sich mitunter nur ein paar hervorgehobene Überschriften.

Die Bindung und der Druck sind sehr gut gelungen und auch die Papierqualität passt.

Sowohl Titel als auch das Cover gefallen mir und passen zum Inhalt. Der Autor vertritt etliche durchaus streitbare Ansichten, die ich mit Sicherheit nicht alle teile. Was mir aber imponiert, ist seine klare Art. Er nimmt einfach kein Blatt vor den Mund und das muss man sich heutzutage erst einmal trauen. In seiner Karriere hat er an etlichen Stellen dafür definitiv keine Lobeshymnen bekommen.

Das war sicherlich nicht einfach und wahrscheinlich hat er sich dadurch den einen oder anderen Weg selbst versperrt. Mir persönlich ist das aber sympathisch, denn es ist ehrlich und mir geht es teilweise ähnlich.

Dieses Buch will nicht nur gelesen, sondern auch diskutiert und in die Praxis umgesetzt werden.

Womöglich ist es nicht für jeden etwas, aber für Interessierte eine sehr gute Wahl.

„Heute leidet ganz Deutschland an Clayton Christensens ‚Innovator’s Dilemma‘, das nicht nur für Unternehmen, sondern auch für Nationen zu gelten scheint. Im Erfolg erstarrte Volkswirtschaften verhindern mit ihren alten starken Standbeinen neue Spielbeine. Wir waren mal Wirtschaftswunder. Wir sind nach 1945 wie Phoenix aus der Asche auferstanden zum globalen ökonomischen und sozialpartnerschaftlichen Erfolgsmodell. Das hatte vor allem mit Leistungswillen zu tun, aber auch mit exzellent (vor allem beruflich) gebildeten Facharbeitern und Experten und starken Staatsfinanzen: Mindset, Professionalismus, Solidität. Dreh Jahrzehnte später ein zweiter Aufstieg. Gerhard Schröder mit seinen mutigen Hartz-Reformen führte das Land aus Massenarbeitslosigkeit und Ineffizienz. Damals nannte man uns schon einmal den Kranken Mann Europas. Keine kleine Herausforderung dabei ist, die an ihre geistigen Gefängnisse gewöhnten Menschen dieses Landes für die neue Freiheit zu begeistern. Das ist umso schwieriger, je abhängiger beschäftigt jemand ist. Learnt helplessness. Das Sein bestimmt das Bewusstsein.“
Thomas Sattelberger

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