Ein wirklich interessantes politisches Werk über potenzielle die wirtschaftliche und gesamt-gesellschaftliche Entwicklung der Menschheit.
Politik

Das Ende der Geschichte

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DAS ENDE DER GESCHICHTE von Francis Fukuyama* ist ein zeitlos brisanter Klassiker. Bereits bei seinem Erscheinen 1992 sorgte er für politische Diskussionen. Das Buch wurde zum weltweiten Bestseller und in der Politikwissenschaft gewohnt kontrovers diskutiert. Dabei stellt der Autor zwei Fragen. Zum einen, ob unsere Geschichte nur eine endlose Wiederholung von Aufstieg und Verfall ist. Und zum zweiten, ob uns eine Vorherrschaft des Liberalismus vor diesem ewigen Auf und Ab bewahren würde. / Anzeige

Heute gilt das Buch als Standardwerk. Es bietet meiner Meinung nach unglaublich spannende Perspektiven auf ein Thema, die vielleicht nicht unbedingt dem Mainstream entspricht. Denn der Autor beschreibt, warum für ihn der Sieg des Liberalismus den Endpunkt der Geschichte darstellt. Gleichzeitig geht er aber auch kritisch auf die damit einhergehenden Gefahren ein.

„Dass es so etwas wie die Geschichte gibt, entbindet uns als Individuen nicht von der Verantwortung, demokratische Institutionen zu bewahren und nicht nur für sie, sondern auch für eine liberale Weltordnung zu kämpfen – und auch für die Ideen, auf die sie sich stützen.“
Francis Fukuyama

Das Ende der Geschichte ist für den Autor kein Ende im Sinne eines Weltuntergangs, wie wir es von Crashpropheten gerne mal gewohnt sind.

Vielmehr zeichnet er das Ende von Kriegen und Revolutionen. Ohne abstrakte Ideale würden die Menschen nicht mehr gegeneinander kämpfen. In gewisser Weise sicherlich eine Utopie oder schlichtweg ein zunächst schwer vorstellbarer Gedankengang. Aber meines Erachtens unglaublich spannend und lesenswert.

Auf der Kehrseite hätte ein Mensch in einer solchen Welt aber auch keine Ideale mehr, für die er zu kämpfen bereit wäre. Daher droht dieser liberalen Demokratie laut Autor Gefahr von Menschen, die ohne Kampf nicht leben können: Wer nicht mehr für eine gute Sache kämpfen kann, der wird möglicherweise gegen die gute Sache kämpfen.

Hierbei handelt es sich um eine Neuausgabe dieses immer noch hochaktuellen Werkes. Zumeist werden die Thesen und Gedanken des Autors nur in Fragmenten wiedergegeben. Hier hat man nun die Möglichkeit, sie in Gänze zu studieren.

Seine grundlegenden Gedanken über die Chancen und Risiken einer globalen Vorherrschaft des Liberalismus veröffentlichte Francis Fukuyama schon 1989.

Damals schrieb er einen Aufsatz mit dem Titel „The End of History?“ für die Zeitschrift The National Interest. Mit dem Fall der Sowjetunion wurden seine Ansätze weltweit publik.

Schon in seinem ersten Aufsatz skizzierte er, dass sich weltweit ein bemerkenswerter Konsens herausgebildet hätte. Die liberale Demokratie werde als legitime Regierungsform anerkannt. Konkurrierende Herrschaftsformen wie die Erbmonarchie, der Faschismus und der Kommunismus seien ihr unterlegen. Aus meiner heutigen Perspektive würde ich diese Beobachtung nicht widerspruchslos unterschreiben. Gerade der Begriff Liberalismus hat doch in den letzten Jahren einige Kritiker hinzugewonnen. Ob nun berechtigt oder unberechtigt, sei dahingestellt.

Aber Francis Fukuyama bleibt nicht bei dieser Ausgangsthese stehen. Er argumentiert weiter: Die liberale Demokratie stelle möglicherweise den Endpunkt der ideologischen Evolution der Menschheit und die endgültige menschliche Regierungsform dar. Sie wäre demnach das Ende der Geschichte. Vor allem der Faktor der individuellen Freiheit nimmt dabei für ihn eine herausragende Stellung ein.

An dieser Stelle ein paar Worte zum Autor:

Francis Fukuyama wurde 1952 in Chicago geboren und gilt als einer der bedeutendsten politischen Theoretiker der Gegenwart. Die Neue Zürcher Zeitung behauptet, er sei der meistzitierte amerikanische Intellektuelle. Und die New York Times wünscht sich mehr Denker, die so weise seien wie Fukuyama.

Dieses Buch hat den Professor für Politikwissenschaften an der Stanford-University und Johan-Skytte-Preisträger international bekannt gemacht. Zuletzt erschien von ihm ein weiteres Buch, Der Liberalismus und seine Feinde*.

Übersetzt wurde das hier besprochene Buch von Ute Mihr, Helmut Dierlamm und Karlheinz Dürr. Letzterer hat für diese Ausgabe auch das Nachwort neu ins Deutsche übertragen. Die Übersetzung ist für mich auf einem sehr guten Niveau.

„Während frühere Regierungsformen schwere Mängel und irrationale Züge aufwiesen, die schließlich zu ihrem Zusammenbruch führten, ist die liberale Demokratie bemerkenswert frei von solchen fundamentalen inneren Widersprüchen.“
Francis Fukuyama

Besonders betonen möchte ich an dieser Stelle:

Der Autor behauptet nicht, dass in stabilen Demokratien keine Ungerechtigkeiten oder gravierenden sozialen Probleme existieren. „Solche Unzulänglichkeiten sind jedoch auf eine unzureichende Verwirklichung von Freiheit und Gleichheit, den beiden Grundprinzipien der modernen Demokratie, zurückzuführen und nicht auf die Prinzipien selbst.“

„Es mag zwar heute durchaus Länder geben, wo es nicht gelingt, eine stabile liberale Demokratie zu errichten, andere Länder mögen in primitivere Herrschaftsformen wie Theokratie oder Militärdiktatur zurückfallen, aber das Ideal der liberalen Demokratie ist nicht verbesserungsbedürftig.“
Francis Fukuyama

Dass der Autor sich bei solchen Aussagen bis heute massiver Kritik ausgesetzt sieht, versteht sich von selbst. Zu radikal und strikt scheint seine Überzeugung. Aber wer erst einmal das Buch vollständig gelesen hat, wird schnell merken: Er ist ganz und gar nicht engstirnig unterwegs. Sondern ganz im Gegenteil argumentiert er höchst selbstkritisch und offen. Seine Überlegungen fußen nur schlichtweg nicht auf Stehgreifparolen, sondern jahrzehntelangen Beobachtungen und Untersuchungen.

Eine etwas längere Passage aus dem Buch hilft, den Gedankengang des Autors hinsichtlich des Titels genauer zu verstehen:

„Unter Geschichte verstehe ich einen einzigartigen kohärenten evolutionären Prozess, der die Erfahrungen aller Menschen aller Zeiten umfasst. Dieses Verständnis von Geschichte ist mit dem des großen deutschen Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel eng verwandt. Es ist durch Karl Marx, der es von Hegel übernahm, ein fester Bestandteil des heutigen Geisteslebens geworden und schlägt sich darin nieder, wie wir Begriffe wie ‚primitiv‘ oder ‚fortschrittlich‘, ‚traditionell‘ oder ‚modern‘ auf unterschiedliche Gesellschaftsformen anwenden.

Sowohl Hegel als auch Marx nahmen eine kohärente Entwicklung der menschlichen Gesellschaften an, von der einfachen Stammesgesellschaft, die auf Sklaverei und landwirtschaftlicher Subsistenzwirtschaft basierte, über verschiedene Formen der Theokratie, der Monarchie und der feudalen Aristokratie bis zur modernen liberalen Demokratie und zu dem vom technischen Fortschritt bestimmten Kapitalismus. Diese Entwicklung war weder zufällig, noch entzog sie sich dem menschlichen Verständnis, auch wenn sie nicht geradlinig verlief. Die Frage, ob das Leben der Menschen durch den historischen ‚Fortschritt‘ wirklich besser und glücklicher geworden ist, betrifft den historischen Prozess selbst nicht.

Weder Hegel noch Marx glaubten, dass die Entwicklung der menschlichen Gesellschaften unendlich weitergehen würde. Sie nahmen vielmehr an, dass sie enden würde, wenn die Menschheit eine Gesellschaftsform erreicht hätte, die ihren tiefsten Sehnsüchten entspräche.

Beide Denker postulierten also ein ‚Ende der Geschichte‘, für Hegel war es der liberale Staat, für Marx die kommunistische Gesellschaft. Damit meinten sie nicht, dass der natürliche Kreislauf von Geburt, Leben und Tod enden würde, dass keine großen Ereignisse mehr stattfinden würden, dass keine Zeitungen mehr erscheinen und darüber berichten würden. Beide meinten vielmehr, dass es keinen weiteren Fortschritt in der Entwicklung grundlegender Prinzipien und Institutionen mehr geben würde, da alle wirklich großen Fragen endgültig geklärt seien.“
Francis Fukuyama

Die zentrale Frage des Buches lautet: Ist es sinnvoll, von einem kohärenten und zielgerichteten Verlauf der Menschheitsgeschichte zu sprechen? Und wird dieser letztlich den größten Teil der Menschheit zur liberalen Demokratie führen?

Inhaltlich begründet der Autor im ersten Teil des Buches, warum das Problem der Universalgeschichte für ihn wieder aufgegriffen werden muss. Darauf skizziert er im zweiten Teil vorsichtig eine erste Antwort. In Teil drei kommt er auf Hegels nichtmaterialistische Geschichtsauffassung zurück. Diese basiert auf dem von ihm so genannten „Kampf um Anerkennung“. Daraus kreiert er eine zweite, parallele Darlegung des historischen Prozesses. In Abschnitt vier beschreibt Fukuyama, wie sich das Bedürfnis nach Anerkennung in Zukunft manifestieren könnte. Der fünfte und letzte Teil des Buches behandelt die Frage nach dem „Ende der Geschichte“. Und nach dem Lebewesen, das dann auf der Bildfläche erscheinen wird: der „letzte Mensch“.

„Dem letzten Menschen fehlt […] das Bedürfnis, als ein Mensch von überragender Größe anerkannt zu werden, und ohne dieses Bedürfnis sind keine herausragenden Leistungen mehr möglich. Zufrieden mit seinem Glück und unfähig, Scham zu empfinden, weil er sich über seine niederen Bedürfnisse nicht mehr erheben kann, hat der letzte Mensch aufgehört, menschlich zu sein.“
Francis Fukuyama

Dabei beschäftigt sich der Autor vor allem mit der Frage: Gibt es in der heutigen Welt funktionsfähige Alternativen zur liberalen Demokratie?

Außerdem analysiert er die Qualität dieser.

„Ist der Mensch, der sich mit nichts weiter als der bloßen universalen und gleichen Anerkennung zufriedengibt, noch ein vollwertiges menschliches Wesen, oder ist er nicht tatsächlich ein Wesen, das unsere Verachtung verdient, ein ‚letzter Mensch‘, der kein Streben und keinen Ehrgeiz mehr kennt? Gibt es nicht eine Seite des menschlichen Wesens, die freiwillig Kampf, Gefahr, Risiko und Wagnis sucht, und wird diese Seite im ‚Frieden und Wohlstand‘ der modernen Demokratie noch gelebt werden können? Brauchen nicht bestimmte Menschen eine Form der Anerkennung, die als solche ungleich ist?

Ist das Bedürfnis nach ungleicher Anerkennung nicht überhaupt die Basis eines lebenswerten Lebens, nicht nur in den aristokratischen Gesellschaften der Vergangenheit, sondern auch in den modernen liberalen Demokratien? Wird nicht das künftige Überleben der Demokratien in gewissem Umfang gerade davon abhängen, dass ihre Bürger nicht nur als Gleiche unter Gleichen, sondern als anderen Bürgern überlegene anerkannt werden wollen? Und könnte nicht die Furcht, zu einem verachtenswerten ‚letzten Menschen‘ zu werden, Menschen dazu verführen, sich mit neuen, unvorhersehbaren Verhaltensweisen zu behaupten, in letzter Konsequenz wieder zu bestialischen ‚ersten Menschen‘ zu werden, die um ihres Prestiges willen blutige Schlachten schlagen, diesmal jedoch mit modernen Waffen?“
Francis Fukuyama

All diese Fragen wirft der Autor in seinem Buch auf. Sie tauchen nämlich automatisch auf, wenn man darüber nachdenkt, ob es so etwas wie Fortschritt gibt. Und ob es möglich ist, eine kohärente und zielgerichtete Universalgeschichte zu konstruieren. 

Damit bringt er ganz gut zum Ausdruck, was die Leser erwarten dürfen. Es ist sicherlich keine leichte Kost und auch zweifelsohne kein Einsteigerwerk. Wer sich aber für Wirtschaft und Wirtschaftspolitik interessiert, wird hier spannende Ansätze eines der führenden Denker unserer Zeit finden.

Für mich bleibt es ein bemerkenswertes Buch mit ungeheuerlicher Tiefe.

Super interessant vor allem für politisch interessierte Menschen. Aber eben auch für jene, die sich gern mit der Psychologie des Menschen und gesellschaftlichen Strömungen auseinandersetzen. Demnach verdiente fünf Sterne. Und vielleicht eine tolle, moderne Ergänzung zu einem Buch wie Psychologie der Massen von Gustave Le Bon*, welches ich hier ebenfalls schon rezensiert habe.

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