BITCOIN GELD OHNE STAAT von Aaron Koenig* ist eines dieser vielen Bücher, die zum Thema Kryptowährungen in den letzten Jahren entstanden sind. Dementsprechend skeptisch bin ich offen gestanden an dieses neue Genre herangetreten. Zumal der Autor auch nicht nur dieses, sondern eine ganze Reihe weiterer Bücher in einem recht kurzen Zeitfenster geschrieben hat. Das ist in den meisten Fällen ein Warnindikator. / Anzeige
Am Inhalt dieses Buches hat mich allerdings sofort der Bezug zur Wiener Schule der Volkswirtschaften interessiert. Es handelt schlichtweg nicht platt vom Hype um die Kryptowährungen und vermittelt diesbezüglich keine Investmentstrategien, sondern betrachtet Bitcoin aus volkswirtschaftlicher Sicht. Seit einigen Jahren liebäugle ich bereits mit der Wiener Schule, die das staatliche Geldmonopol in Frage stellt und die Auswirkungen von Geldmengenausweitung besser und vor allem vollumfänglicher beschreibt als jede andere Lehre. Die Vordenker dieses Ansatzes wie Friedrich August von Hayek, Ludwig von Mises oder Murray Rothbard kritisierten die Folgen des „Geldsozialsmus“ und forderten eine freie Marktwirtschaft ohne Staatseingriffe. Mit Bitcoin und Co. Werden ihre Forderungen heute Realität und die zugrunde liegende Blockchain-Technologie eröffnet noch viele weitere Möglichkeiten.
„Als der Nobelpreisträger Friedrich August von Hayek 1976 das Ende des staatlichen Geldmonopols und einen freien Wettbewerb der Währungen forderte, wurde sein Konzept nicht besonders ernst genommen. Heute ist die Entstaatlichung des Geldes in vollem Gange. Digitale Währungen wie Bitcoin kommen ohne Banken und ohne staatliche Regulierung aus.“
Aaron Koenig
Aus Sicht einer Buchbloggerin muss ich aber anmerken, dass sie zunehmend von Trittbrettfahrern genutzt wird, um interessierte Leser einzusammeln
Viele der bekannten Crash-Propheten vermischen somit Wiener Schule mit ihrer Endzeit-Marketing-Strategie und das kann man nicht gutheißen. Denn dann mischen sich Fakten mit Theorie und Ideologie. Dieser Cocktail war historisch noch nie gesund. Jedem, der an der Wiener Schule interessiert ist, kann ich nur empfehlen, bei der Auswahl der Literatur genau auf die Qualität des Autors zu achten.
„Wenn die EZB den Zins auf der Soll- und Haben-Seite beseitigt, verändert sie die Struktur der Preise. Kreditfinanzierte Investitionen lohnen sich plötzlich, die sich unter normalen Zinsbedingungen nie gerechnet hätten. Und Sparen in vermeintlich risikoarme Zinspapiere ist nicht mehr lohnend. Die Menschen werden in den Konsum getrieben.“
Aaron Koenig
„Während frühere Ökonomen die Preise aus den Herstellkosten erklärten, entstehen sie nach Ansicht Carl Mengers und seiner Nachfolger ausschließlich aus dem subjektiven Wert, den ein Gut für einen Nutzer in einer bestimmten Situation hat. Carl Menger hat hierfür den Begriff des Grenznutzens in die Wirtschaftswissenschaft eingeführt.“
Aaron Koenig
Der Autor hat mit seiner Firma Bitfilm bereits zahlreiche Filme für Bitcoin-Start-Ups produziert, organisiert ein Bitcoin-Filmfestival und berät unterschiedliche Firmen beim Einsatz der Bitcoin-Technologie. Er ist von Hause aus Diplom-Kommunikationswirt und seit 1994 in der kreativen Internetbranche tätig.
Dieses Buch beschreibt nun das Konzept hinter der dezentralen, nicht-staatlichen Währung
Welche Ideen stecken dahinter, wie haben diese sich gegebenenfalls im Zeitverlauf verändert und wie denken verschiedene involvierte Akteure darüber. Dies vermittelt der Autor auch leicht verständliche und anschauliche Art und Weise. Dazu lässt er auch in etlichen Interviews diverse Bitcoin-Experten zu Wort kommen und versucht damit das Buch weiter aufzulockern.
Der Kern des Buches bleibt aber die Betrachtung der Elemente der Wiener Schule. Dazu holt der Autor das ein oder andere Mal sehr weit aus und erklärt viele Grundlagen der VWL.
So geht es beispielsweise intensiv auf die Preisbildung ein
Denn Preise sind aus Sicht der Wiener Schule von entscheidender Bedeutung, um das Funktionieren unserer Wirtschaft zu gewährleisten. Sie sind die Signale, auf die Käufer und Verkäufer am Markt reagieren, und an die sie ihr Handeln letzten Endes anpassen.
Wird beispielsweise ein Rohstoff knapp, so steigt in einer freien Marktwirtschaft sein Preis entsprechend. Die Käufer werden dann Versuchen, weniger von diesem Rohstoff zu verbrauchen oder ihn durch einen anderen, preisgünstigeren zu ersetzen (Substitut). So handeln wohl die meisten von uns. Aus dem einfachen Grund, das Optimum aus dem eigenen Geld zu machen.
An einem solchen Punkt kann es sich für Unternehmen lohnen, neue Rohstoff-Quellen des knappen Gutes zu erschließen, die bisher unwirtschaftlich gewesen wären. Oder sie erfinden neue Produkte, die ohne die Beigabe dieses Rohstoffes auskommen, aber das Gleiche leisten.
So entsteht Stück für Stück Innovation und unsere knappen Ressourcen werden effizient genutzt.
Was wir zurzeit während Corona, aber auch längst aller Konjunkturzyklen an staatlichen Eingriffen erleben, stört dieses einfache Gesetz des freien Marktes
Gepaart mit den gesellschaftlich zumindest fraglichen Auswirkungen einer Geldmengenausweitung – als Geldtransfer von unten nach oben, von denen die das frische Geld spät oder nie erhalten zu denen, die es von der Quelle abschöpfen können – führt das langfristig nicht nur zu einem aufgeblähten Staatsapparat der an sich schon Ressourcen vernichtet, sondern auch zu einer Ausbeutung und Verschwendung unserer knappen Ressourcen auf diesem Planeten. Mit Nachhaltigkeit hat das rein gar nichts zu tun und unser Staat, unsere Politiker werden stets neue Gründe finden, um in den Markt einzugreifen und ihr eigenes Dasein damit zu legitimieren.
Der Sozialismus ist darauf mit Sicherheit nicht die richtige Lösung
Führt er doch nicht nur zu einer Gleichschaltung des Volkes inklusive der Gedanken und Vorlieben, sondern auch zu einer noch immenseren Aufblähung des staatlichen Apparats. Zudem ist eine Planwirtschaft das krasse Gegenteil eines effizienten Marktes.
„In einer Planwirtschaft, in der die Preise nicht im Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage entstehen können, sondern von einer zentralen Behörde festgesetzt werden, ist dieses natürlich Korrekturverhalten ausgeschaltet. Das führt zu Verschwendung, Misswirtschaft und einem Mangel an Innovation. Man konnte dies gut in den Staaten des real existierenden Sozialismus beobachten.“
Aaron Koenig
Wer das immer noch nicht verstanden hat, dem empfehle ich auch heute noch einen ausgedehnten Urlaub. Vornehmlich in rohstoffreichen, aber bettelarmen Ländern wie Venezuela, Kuba und Co. Und dann vielleicht nicht nur mit Regimetreuen und bevorzugten Menschen sprechen. Sondern mit solchen, die an der Essensausgabe warten.
„Durch die so simple wie wirkungsvolle Signalwirkung der Preise werden in einer freien Marktwirtschaft die Ressourcen dorthin gelenkt, wo sie am besten genutzt werden können. Nur das ständige Ausloten der besten Alternativen im Wettbewerbsprozess, in dem schlechtere Produkte von besseren verdrängt werden, führt zu einem sinnvollen Umgang mit knappen Ressourcen – und nichts weiter bedeutet der Begriff Wirtschaft.“
Aaron Koenig
Dass die aktuelle Aussetzung des Insolvenzrechts und die Corona-Hilfen nicht nur Existenzen sichern, interessiert dann wieder die wenigsten
Denn diese Hilfen geben den Existenzen weitere Ressourcen, die bereits im Vorfeld mit ihren gegebenen nicht gut gewirtschaftet haben. Würdest Du privat einer Person Geld geben, von der Du weißt, dass sie nicht damit umgehen kann? Wohl kaum. Als Staat kann es Dir aber egal sein. Denn wenn diese Person das Geld ausgibt, dann erhältst Du weitere Steuereinnahmen und stehst ohnehin als Heilsbringer dar.
„Wir müssen doch die Arbeitsplätze sichern und diesen Unternehmen helfen.“ Mein klares „Nein“ auf sowas ist den meisten dann vielleicht wieder zur viel Darwinismus.
„In einem Scheingeldsystem, wie es seit 1971 weltweit üblich ist, kann neues Geld auf zweierlei Weise geschaffen werden: Einerseits durch die Zentralbank, die als einzige Instanz neue Banknoten und Münzen herausgeben darf und die außerdem zu einem von ihr festgelegten Zinssatz Kredite an Geschäftsbanken vergeben kann. Andererseits durch die Geschäftsbanken, die das staatlich garantierte Privileg haben, neues Geld aus dem nichts entstehen zu lassen, und zwar jedes Mal, wenn sie einen Kredit vergeben.“
Aaron Koenig
An dieser Stelle vielleicht auch noch ein paar weiterführende Literaturempfehlungen
In diesem Zusammenhang kann ich stets DIE FARM DER TIERE von George Orwell* empfehlen. Über dieses Buch habe ich bereits hier berichtet. Es erläutert anhand eines Märchens sehr anschaulich, warum das Märchen Sozialismus nicht funktionieren kann. WARUM ANDERE AUF IHRE KOSTEN IMMER REICHER WERDEN von Philipp Bagus und Andreas Marquart* zeigt auf, warum das staatliche Geldmonopol so schädlich ist. Auch über dieses Buch habe ich hier bereits berichtet. Es ist für mich eine absolute Empfehlung. Vor allem für die Leute, die sich nicht nur für Wirtschaft, sondern auch für den Grenzbereich der Wirtschaftspolitik interessieren. Und abschließend kann PSYCHOLOGIE DER MASSEN von Gustave Le Bon* nie schaden. Meine Rezension dazu findest Du hier. Dieses Buch beschreibt die Grenzen der Demokratie und die Manipulierbarkeit der Masse besser als jedes andere Werk. Ein Klassiker, der leider auch vom ein oder anderen Diktator für seine Pläne genutzt wurde.
Dieses Buch enthält viele interessante Hinweise zu Bitcoin, zur Blockchain-Technologie und all den technischen und politischen Hintergründen
Vor allem aber auch sehr viel spannendes Material zur Wiener Schule. Diese ist im übrigen auch unter dem Begriff der österreichischen Nationalökonomie bekannt.
„Umgangssprachlich wird heute der Preisanstieg, der mittels eines staatlich festgelegten Warenkorbs gemessen wird, als Inflation bezeichnet, doch das ist weder sprachlich noch ökonomisch korrekt.“
Aaron Koenig
Dennoch kann ich dem Buch einfach nicht mehr als 3 Sterne geben. Unter anderem, weil es vom Aufbau her sehr wirr und unorganisiert wirkt. Die Kapitel bauen irgendwie nicht immer aufeinander auf. Dadurch wird man teilweise aus den eigenen Gedankensträngen gerissen, anstatt neue Impulse zu erhalten. So entsteht kein sich aufbauendes Konstrukt.
Die Interviews sind gut gedacht, aber wirken letztlich nicht wirklich auflockernd
Vielmehr sind sie an manchen Stellen eher störend. Das liegt unter anderem daran, dass die Fragen beinahe immer die gleichen sind. In gewisser Weise leider auch die Antworten der Befragten. Hier lernt der Leser nur wenig Neues. Nur in den Kapiteln dazwischen geht es dann an handfeste Inhalte. Das ist für mich dann auch der Grund, diesem Buch eine gute Bewertung zu geben. Für eine sehr gute Bewertung müsste aber mehr kommen.
Es geht aber eben nicht nur um die Wiener Schule, auch wenn ich darauf hier meinen Schwerpunkt gelegt habe. Auch das Thema Dezentralisierung wird in verschiedenen Bereichen diskutiert. Denn die Blockchain-Technologie kann bekanntlich deutlich mehr als nur Bitcoin. Aber um in diesen Bereichen mehr zu lernen, würde ich andere Bücher empfehlen.
So möchte ich diese Rezension zu einem gespaltenen Buch mit den Worten eines alten volkswirtschaftlichen Vordenkers abschließen:
„Solche Wohltat muss das Volk immer teuer bezahlen, weil kein Staat seinen Bürgern mehr geben kann, als er ihnen vorher abgenommen hat – und das auch noch abzüglich der Kosten einer zwangsläufig immer mehr zum Selbstzweck ausartenden Sozialbürokratie.“
Ludwig Erhard