Ein faszinierendes Buch, das den Negativitätseffekt und seine tiefgreifenden Auswirkungen auf unser Denken und Handeln behandelt.
Mindset & Persönlichkeitsentwicklung

Die Macht des Schlechten

by
★★★★★

DIE MACHT DES SCHLECHTEN von Roy F. Baumeister & John Tierney* ist ein faszinierendes Buch zu einem noch interessanteren Thema: Es behandelt den Negativitätseffekt und seine tiefgreifenden Auswirkungen auf unser Denken, Fühlen und Handeln. Einer der Autoren ist ein renommierter Sozialpsychologe. So lernen wir im Buch nicht nur, dass wir von negativen Ereignissen und Emotionen stärker beeinflusst werden als von positiven. Sondern wir erfahren auch, wie wir diese Erkenntnis für uns nutzen können. / Anzeige

Dabei geht es um Effekte auf vielerlei Aspekte unseres Lebens. Von zwischenmenschlichen Beziehungen über den Bildungsapparat, Personalentscheidungen in Unternehmen bis hin zur Politik.

Inhaltlich wird zunächst einmal der Negativitätseffekt, auch als Negativitätsbias bekannt, hergeleitet.

Er besagt, dass wir Menschen dazu neigen, schlimme Ereignisse und Emotionen deutlich stärker wahrzunehmen und zu verarbeiten als gute. Für viele sicherlich nichts Neues. Nur ein einziger negativer Kommentar vermag demnach unser Selbstwertgefühl zu erschüttern. Dagegen brauchen wir durchschnittlich vier gute Erlebnisse, um ein schlechtes emotional auszugleichen. Auch in anderen Lebensbereichen gilt unser Fokus viel zu häufig den negativen Aspekten, während wir die positiven allzu gerne übersehen.

Warum erschüttert uns ein einziges Wort der Kritik, selbst wenn es mit starkem Lob daherkommt?

Dass das Negative uns stärker prägt, unsere Aufmerksamkeit fesselt und unsere Emotionen tiefgreifender beeinflusst, diente ursprünglich evolutionären Zwecken. Es veranlasste uns dazu, potenzielle Gefahren zu erkennen und zu vermeiden. Und das erhöhte letztendlich unsere Überlebenschancen. Wie so manch andere evolutionsbedingte Eigenart unseres Körpers macht uns jedoch auch diese heute zu schaffen.

„Das Negativitätsbias ist adaptiv, wie Biologen Merkmale nennen, die die Überlebenschancen eines Individuums oder einer Gruppe erhöhen. In der Savanne unserer Jäger-Sammler-Vorfahren haben die überlebt, die mehr darauf achteten, den giftigen Beeren aus dem Weg zu gehen, als sich auf den Genuss der köstlichen zu konzentrieren. Sie taten besser daran, auf hungrige Löwen zu achten als auf wohlschmeckende Gazellen. Die Liebenswürdigkeit eines Freundes war keine Existenzfrage, die Falschheit eines Feindes dagegen konnte zum Tode führen. Auf Gruppenebene hing das Überleben von etwas ab, was die Forschung als Kettenprinzip bezeichnet (nach dem Klischee, dass eine Kette immer nur so stark ist wie ihr schwächstes Glied): Die Sicherheit des Clans ließ sich nicht durch ein einziges gutes Mitglied gewährleisten, wogegen der ganze Clan rasch vergiftet war, wenn ein nachlässiger Koch giftige Knollen servierte. Ein einziger Verräter genügte für einen fatalen Tipp an einen feindlichen Clan. Ein einziger Fehler kann heute noch tödlich sein; ein Feind kann einem immer noch das Leben zur Hölle machen; ein Verlust kann jahrelange Gewinne eliminieren. Auf Gefahren besonders zu achten hat also durchaus immer noch seinen evolutionären Sinn.“
Roy F. Baumeister & John Tierney

Dem kann man sicherlich bis zu einem gewissen Grad mit Dankbarkeitsübungen und einem Fokus auf das Gute entgegenwirken.

Viel cleverer ist es aber bisweilen, die Macht des Schlechten für sich zu nutzen.

„Indem wir den Negativitätseffekt durchschauen und uns über unsere angeborenen Reaktionen hinwegsetzen, können wir destruktive Muster durchbrechen und positiver – effektiver – in die Zukunft sehen; anders gesagt, wir können uns die durchaus bemerkenswerten Vorteile dieser verzerrenden Tendenz zunutze machen. Pech, schlimme Nachrichten und negative Gefühle, das alles sorgt für starke, ja die stärksten Anreize überhaupt, widerstandsfähiger, gescheiter, netter und liebenswürdiger zu werden.“
Roy F. Baumeister & John Tierney

Die Autoren bieten dazu eine breite Palette von Beispielen, wissenschaftlichen Erkenntnissen und Fallstudien, um ihre Argumente zu untermauern.

Roy F. Baumeister und John Tierney betonen, dass wir lernen können, unsere negativen Vorurteile zu erkennen und zu steuern. Indem wir unsere Denkweise bezogen auf das Schlechte ändern, können wir destruktive Muster durchbrechen und positiver in die Zukunft schauen. Darüber hinaus können wir diese Muster aber auch nutzen, um uns selbst und andere zu motivieren. Und zwar sowohl im Beruf als auch im Privatleben, in der Schule oder der Universität.

„Nimm das Schlechte mit dem Guten, sagen wir uns stoisch. Aber so funktioniert unser Gehirn nun mal nicht. Unser Verstand ist geprägt vom verzerrenden Einfluss eines fundamentalen Ungleichgewichts, und was dies für unser Leben bedeutet, wird der Wissenschaft gerade erst so richtig klar: Schlecht ist stärker als gut.“
Roy F. Baumeister & John Tierney

Die Macht des Schlechten ist den Autoren nach mitunter viel zu groß, um sie zu überwinden.

Dafür aber auch umso nützlicher, wenn man sie selbst zu kanalisieren lernt. Trotz der scheinbaren Dominanz des Negativitätseffekts bieten die beiden eine optimistische Perspektive.

„Selbst wenn alles nach unseren Wünschen läuft, sucht die Amygdala nach der Wolke hinter dem strahlenden Horizont.“
Roy F. Baumeister & John Tierney

Wir sollten also nicht nur die irrationale Wirkung des Negativitätsbias durchschauen können, um die positiven Seiten des Lebens zu erkennen und zu schätzen. Sondern es geht auch um die Möglichkeiten, die uns im Wissen um diesen Effekt zur Verfügung stehen.

Das Buch behandelt in einem vor allem für mich super interessanten Kapitel auch den Einfluss der digitalen Welt auf den Negativitätseffekt. Die beiden Autoren betonen, wie soziale Medien und Nachrichtenportale oft auf negative Schlagzeilen abzielen und somit den Effekt verstärken können. Auch hier geben sie nicht nur Ratschläge, wie man diesen Einflüssen widerstehen und den Blick auf das Positive lenken kann. Sondern sie schildern auch Strategien, wie man mehr Leute durch eine gezielte Ansprache erreicht.

An dieser Stelle ein paar Worte zu den Autoren:

Roy F. Baumeister ist seit 2016 Professor für Sozialpsychologie an der University of Queensland in Australien. Er hat sich in seiner Forschung auf eine Vielzahl von Themen konzentriert, darunter Sexualität, Selbstkontrolle, Selbstbehauptungsmechanismen, Motivation und Aggression. Er promovierte an der Princeton University und wurde später Francis Eppes Eminent Professor of Psychology an der Florida State University. Baumeister zählt zu den international angesehensten Psychologen und ist Autor zahlreicher Bücher. Eines seiner bekanntesten Werke ist der Bestseller Die Macht der Disziplin*. Im Jahr 2015 wurde er in Anerkennung seiner Leistungen in die American Academy of Arts and Sciences gewählt.

John Tierney ist ein renommierter Autor und Wissenschaftsjournalist, der bei der New York Times tätig ist. Seine Arbeit umfasst eine breite Palette von Themen, wobei er wissenschaftliche Forschungsergebnisse einem breiten Publikum zugänglich macht.

Die Übersetzung stammt von Bernhard Schmid.

„Dies ist ein großer Vorteil von Strafen: Sie sind so wirkungsvoll, dass man sie oft gar nicht anzuwenden braucht. Belohnungen müssen kontinuierlich ausgezahlt werden, während die bloße Androhung einer Strafe eine nachhaltige Wirkung hinterlassen kann. Es ist sogar so, dass eine einzige heftige Drohung besser wirkt als viele kleine Strafen […].“
Roy F. Baumeister & John Tierney

Etwas Kritik muss ich dann allerdings doch äußern. Denn das Layout hätte durchaus etwas farbenfroher und auflockernder gestaltet werden können.

Generell hätte ein Hauch Kreativität sicherlich nicht geschadet. Auch literarisch könnte die ein oder andere Passage schwungvoller ausformuliert sein, was allerdings auch an der Übersetzung liegen könnte. Man spürt leider, dass das Buch vom Verlag lediglich „eingekauft“ und keine optische Aufarbeitung des Textes vorgenommen wurde. Wirklich schade, aber ich möchte das an dieser Stelle auch nicht überbewerten.

Insgesamt eine wirklich spannende und aufschlussreiche Analyse des Negativitätseffekts und seiner Auswirkungen auf unser Denken und Verhalten.

Das Buch lädt den Leser geradezu ein, sich mit den Tiefen unserer psychologischen Neigungen auseinanderzusetzen. Und es bietet zugleich praktische Ratschläge, wie wir diese erkennen und zu unserem Vorteil nutzen können. An manchen Stellen erinnerte es mich an Psychologie der Massen* von Gustave Le Bon, das ich hier ebenfalls rezensiert habe.

Die Macht des Negativen wird in diesem Buch eindrucksvoll beleuchtet. Aber gleichzeitig lernen wir eben auch, wie wir diese Macht für unser persönliches Wachstum und unsere Lebenszufriedenheit effektiv nutzen können.

Wenn du auf der Suche nach weiteren spannenden Büchern bist, dann findest du unter Buchtipps eine interessante Auswahl aus über 450 ausführlichen Rezensionen. Diese kannst du individuell nach Preis, Seitenanzahl, Themenbereich, Bewertung und Zielgruppe filtern. Solltest du eine vergleichbare Buchempfehlung für mich haben, dann schreib mir doch gerne über meine Social-Media-Kanäle.

Dir gefällt mein Content und ich konnte Dir schon weiterhelfen? Dann unterstütze mich doch mit einer kleinen finanziellen Zuwendung und spendiere mir im übertragenen Sinne einen Kaffee oder nutze meine Angebote bei Patreon. Hier biete ich eine Vielzahl attraktiver Angebote (Insights, Exklusive Gruppen zum Austausch, etc.). Schau gerne mal rein!

Darüber hinaus darfst Du mir auch gerne auf meinen Social Media Kanälen bei Instagram, Facebook, Twitter, LinkedIn und Pinterest folgen. ♥

*Affiliate Link / Anzeige

DU KENNST MICH VIELLEICHT AUS …

MEINE AUSZEICHNUNGEN

2021

2022, 2021

Vize 2022

2022

2022, 2x 2021, 2020

2021

2022

2021

2024